hopfiges: Noch mal mit Ojo rojo davon gekommen

Guatemaltekisch mexikanischer Biertest

Mexikanischer Ojo rojo

Zweimal die Woche Punkt neun Uhr: Bier testen im Labor der Brauerei Gallo, mitten in Guatemala Stadt in der Zone 2 gelegen. Bereit stehen drei weiße Plastikbecher, zwei fingerbreit mit Raumtemperatur warmem Bier gefüllt. Nippen, beschreiben, bewerten – und erkennen, welche beiden Becher den gleichen Sud beinhalten. Hatte ich mich den Abend zuvor mal nicht in Guatemalas Nachtleben gestürzt und morgens auf das Frühstück verzichtet, so verlief das Testen einfach, mit 100 prozentiger Trefferquote:

„Becher 1 und 3 sind aus der gleichen Flasche. Ein Gallo, das vor ca. zwei Monaten gebraut wurde und seither im Kühlhaus der Brauerei lagert. Becher 2 könnte der gleiche Sud sein, war aber der Sonne ausgesetzt. Es schmeckt etwas herber, so wie bei Enma, die einen Stand auf dem Mercado Central betreibt und zu jedem Gallo eine Tortilla mit gekochten Innereien reicht.“

Widerlich und so etwas schimpft sich Bier

Zusammenhalt brachten die Tage, an denen neben dem hervorragenden auf deutscher Braukunst basierendem Bier aus Guatemala, mexikanisches Bier zum Testen herangezogen wurde. „Widerlich und so etwas schimpft sich Bier“, fluchten wir dann im Einklang. „Durchsichtige Flaschen, die den Inhalt ungeschützt der Sonne ausliefern und trotzdem den Geschmack bewahren – Chemie pur“, schüttelte es den Laborleiter.

Warum so viele Brauereien, aber kein gutes Bier?

Ich hatte Mexiko als das Land der 1.000 feinsten Kochkünste, der kulinarisch bewundernswertesten Vielfalt kennengelernt. Warum aber gab es so viele Brauereien, aber kein gutes Bier? Lassen wir die Diskussion, welche Rolle Bier neben Cuba Libre, Margarita, Mezcal, Tequila und Paloma überhaupt spielt beiseite und zoomen wir uns in eine x-beliebige mexikanische Bar mit Außengastronomie, eine gute halbe Stunde vor Sonnenuntergang.

Ojo rojo Cocktail Mexiko

Ha! Schnell wird offensichtlich, Mexikaner wissen zweierlei:

  1. Bier ist das ideale Getränk bei gemäßigten bis hohen Temperaturen (weiß ja jeder).
  2. Mexikanisches Bier ist nicht uneingeschränkt genießbar.

Daher werden an den Tischen unserer Bar Tequate, XX, Sol und Corona zu Gläsern mit Chili-Salzrand serviert, in denen Eiswürfel, Limones, Sellerie und Tomatensaft schwimmen. Genauer betrachtet, handelt es sich um Michelada und Ojo rojo. Michelada ist ein Mix aus frischem Limonensaft, scharfer Jalapeño- oder Habanero-Sauce, Salz und Salsa Inglesa (Worcester Sauce oder Maggi). Bei Ojo rojo wird zusätzlich noch Clamato (Tomatensaft mit Venusmuschelkonzentrat) und eine Selleriestange ins Glas gegeben. Bier wird immer wieder nachgegossen, bis beides leer ist.

Wow!

Wir staunen nicht schlecht, setzen uns dazu und tun es den Eingeweihten gleich – und lieben es. Die mexikanisch intuitive Kulinarik darf man einfach zu keinem Zeitpunkt unterschätzen. Schon gar nicht, wenn in der Heimat (Guatemala) Reis und schwarze Bohnen das allgegenwärtige Nationalgericht stellen und sich Tortillas mit Kuhmagen neben den leeren Galloflaschen aufreihen.

Ich war nach zwei Ojo rojo und einer Michelada auf Mezcal mit Sangrita umgestiegen, hatte dann Margarita und Paloma probiert, bevor die Flasche Rum mit dem Eiskübel, den drei Cola und den geviertelten Limones meinen Tisch mit Hüftschwüngen füllte. Das sollte ich am nächsten Morgen büßen und zum Laborgespött werden, denn ich konnte nicht einmal mehr ein alkoholfreies unter echten Bieren herausschmecken. Zum Glück ging es dem Laborleiter an diesem Morgen ähnlich wie mir und offensichtlich war er in ein Handgemenge geraten – noch mal mit Ojo rojo davon gekommen.

Ojo rojo Cocktail Mexiko