Nostalgie und Futurismus

Eines der am häufigsten fotografierten Gebäude im Land ist Casapueblo: Atelier und Museum des lateinamerikanischen Picasso: Carlos Páez Vilaró. An dem extravaganten Gebäude in Punta Ballena wurde 36 Jahre lang gebaut. Doch ist es bei Weitem nicht das einzige Bauwerk in Uruguay, das sich zu besuchen lohnt. Schon bei der Ankunft (sofern man einfliegt) überrascht der Hauptstadtflughafen Aeropuerto Internacional de Carrasco als ein architektonisches Meisterwerk. Das revolutionäre futuristische Design des eleganten, transparenten Gebäudes stammt von dem uruguayischen Architekten Rafael Viñoly und hat bereits zahlreiche internationale Preise gewonnen. Besonders die Dreifachkrümmung der Decke, die sich über das Gebäude spannt und an seinen Enden auf dem Boden zu schweben scheint, gibt dem Flughafen beinahe den Anschein eines Raumschiffes.

Foto: Die Aduana, das Zollgebäude Montevideos, ist ein weithin sichtbarer Art Déco-Bau, der 1923 errichtet wurde.

In starkem Kontrast zu so viel Moderne stehen die meisten anderen Gebäude in Uruguay (selbst die Hauptstadt strotzt nicht vor zeitgenössischen Bauten). Die Stilrichtungen variieren stark in einem Land, das viele Eroberer erdulden musste und vielen Einwanderern eine neue Heimat gab: Kolonialarchitektur, Renaissance und Barock, spanischer bzw. französischer Klassizismus, italienischer Neoklassizismus, Art déco – alles ist vertreten.

Besonders der im Stil des Eklektizismus bzw. Art déco erbaute Palacio Salvo in Montevideo sticht im wahrsten Sinne des Wortes heraus, war er doch mit 26 Stockwerken das erste Hochhaus des Landes und bis 1935 das höchste Gebäude Südamerikas.

Ohnehin ist die Hauptstadt berühmt für ihre Paläste und Stadtvillen sowie die mit Stuck und anderen Ornamenten geschmückten Reihenhäuser. Viele Gebäude der Stadt sind zwar trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs im Land in einem etwas heruntergekommenen Zustand. Aber sie haben sich ihren Charme bewahrt und lohnen einen Blick – und es ist ein Glück, dass nur wenige abgerissen und durch hässliche Betonklötze ersetzt wurden.
Ein anderes architektonisches Highlight aus den letzten beiden Jahrhunderten sind die zahlreichen Estancias. Viele stammen aus der Gründungszeit der Republik. Sie sind eher schlichte, oft sogar festungsähnliche Bauten mit meterdicken Mauern und Fenstern, die zum Teil handgeschmiedete Eisengitter aufweisen. In der Mitte ihrer Innenhöfe befindet sich oft noch ein Schöpfbrunnen. Ab der späten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fiel die Architektur der Landgüter dann schon sehr viel stattlicher aus. Die Herrenhäuser der Anwesen erstrahlen noch heute in ihrer meist kolonial inspirierten, stark von der spanischen Architektur beeinflussten Pracht. Einige von ihnen haben sogar einen Turm (Mirador), der eher Repräsentationszwecken als der Verteidigung diente. Die Decken der „neuen“ Estancias sind schon sehr viel höher und die Fenster deutlich größer. Die Fassaden zieren Stuck und andere Ornamente. Kurz: Wer sich für historische Landgüter und herrschaftliche, mediterran inspirierte Architektur mit Patios, Brunnen, Galerien, schweren Mauern, hohen Decken und kunstvoll geschmiedeten Fenstergittern interessiert, ist in Uruguay genau richtig.

Kleinere öffentliche Gebäude und die Wohnhäuser der Familien auf dem Land stammen mehrheitlich aus der Zeit zwischen 1900 und 1940. Sie sind in einer eher simplen, aber dennoch deutlich neo-kolonialen Bauweise errichtet. So wie in anderen Teilen der Welt waren auch in Uruguay nach der vorletzten Jahrhundertwende historisierende Baustile modern. Sie und die unter dem Einfluss des Art déco entstandenen Gebäude sind es, die oft den Eindruck erwecken, in manchen Orten Uruguays sei die Zeit stehen geblieben.

Reiseführer Uruguay: Dieser Text ist dem Reiseführer Uruguay – Handbuch für individuelles Entdeckenerschienen im Reise Know-how Verlag entnommen. Wer nicht bis zum nächsten caiman warten, sondern möglichst schnell mehr über Uruguay erfahren möchte, kann sich diesen Reiseführer für 16,95 Euro unter info@larsborchert.com persönlich beim Autor bestellen oder im gut sortierten Buchhandel kaufen.

Titel: Uruguay – Handbuch für individuelles Entdecken
Autor: Lars Borchert
ISBN: 978-3831725908, Seiten: 300, Verlag: Reise Know-How