Gaztelugatxe – Der baskische Drachenfels von Game of Thrones

Jon Schnee muss die Welt retten. Der König des Nordens in „Game of Thrones“ (GoT) sucht Verbündete im alles entscheidenden Kampf gegen die Armee der Untoten. Deshalb steigt Jon Schnee in der 7. Staffel von Game of Thrones 241 Stufen auf einem windumtosten Felsen im Meer empor, um die schöne Daenerys, die Königin der Sieben Königslande, zu treffen. Mitten im Aufstieg duckt sich der Retter der Welt plötzlich, weil der riesige Schatten eines Drachen über ihm auftaucht. Es ist das erste Mal, dass er die Drachen sieht, die ihm beim Sieg gegen das Böse helfen sollen.

Die vielen GoT-Fans, die auf den Spuren der Schauplätze ihrer Lieblingsserie sogar an diesem kalten Januartag hier hinauf steigen (im Sommer werden es Hunderte pro Stunde sein), halten vergeblich Ausschau nach fliegenden Drachen am Himmel. Nur Möwen und andere Seevögel bevölkern den Horizont rund um Gaztelugatxe. Diese magische Felsinsel vor der Küste des Baskenlandes ist ein würdiges Symbol für die populärste Fantasy-Serie aller Zeiten; denn ein Hauptgrund für den unglaublichen Erfolg von GoT ist neben der spannenden Handlung voller Intrigen und politischer Anspielungen sowie grandiosen Schauspielern auch die äußerst gelungene Auswahl von spektakulären Szenarien. Dazu gehören pittoreske Einöden in Island und Nordirland, die Altstadt von Dubrovnik, der Alcázar von Sevilla und eben das seitdem von GoT-Pilgern aus aller Welt besuchte Gaztelugatxe.

Der baskische Name, der für einige Touristen eine beträchtliche Artikulations-Herausforderung darstellt (die Palette der Aussprachversionen ist abenteuerlich), bedeutet „Felsenburg“ (gaztelu = Burg und atx = Fels). Es ist keine Insel im klassischen Sinn, sondern ein einzelner Felsen, 270 Meter lang und bis zu knapp 80 Metern hoch, der hier seit Jahrhunderten der tosenden Brandung der  trotzt. Mit dem Festland der baskischen Küste ist er durch eine sehr schmale Fußgängerbrücke verbunden, die in einer Treppe mündet. Diese steinige Treppe windet sich in steilen Kurven den Felshang hinauf bis zur Wallfahrtskapelle, die auf dem Gipfel thront. Alle, die hier wie Jon Schnee ganz hoch hinauf wollen, müssen ebenfalls die berühmten 241 Stufen bewältigen, um dann mit einem grandiosen Rundumblick über die ganze Bucht belohnt zu werden.

In der HBO-Serie Game of Thrones wurde die Wallfahrtskirche, die Johannes dem Täufer geweiht ist, digital wegretuschiert und ersetzt durch den virtuellen Palast der Drachenkönigin, die dort Hof hält. Mit etwas Phantasie wirkt der Felsen von weitem selbst wie ein schlafender Drache in der Brandung. In der Zeit vor GoT wurde dieser Felsen im Meer nur zweimal im Jahr dicht bevölkert: am 24. Juni und am 29. August ziehen Wallfahrts-Prozessionen zu Ehren des heiligen Johannes aus Bermeo und Bakio hierhin, um oben in der Kapelle eine Messe zu feiern. Und am Sylvestertag versammelt sich eine kleine Menge zur Neujahrsmesse. Abgesehen davon lag Gaztelugatxe den Rest des Jahres in stürmischer Einsamkeit. Dies hat sich gründlich geändert. Ein endloser Strom von profanen GoT-Pilgern macht es jetzt fast unmöglich, die alte, für die Johannes-Pilger gebaute Zickzack-Treppe einmal menschenleer über dem Abgrund zu fotografieren. Vor und hinter mir erklingt auf vielen Handys die berühmte GoT-Titelmelodie, die beim Aufstieg begleiten soll. Verkleidete Fans in GoT-Kostümen sehe ich heute keine (was auch am kalten Winter-Wetter liegen könnte).

Begehrtes Objekt mystischer Visionen und Endzeit-Phantasien war dieses Felsbollwerk in der Biskaya aber schon lange vor Game of Thrones. Seit dem 10. Jahrhundert befindet sich die mehrmals erneuerte Wallfahrtskapelle auf dem Gipfel. Der Bau der kleinen Kirche wurde oft mit dem Templer-Orden in Zusammenhang gebracht, wofür es allerdings keine Beweise gibt. Offenbar weil er dort sagenhafte Schätze vermutete, attackierte im Jahr 1593 Francis Drake (das „Sir“ lassen wir mal weg, der Mann war ein erbärmlicher Bandit) Gaztelugatxe und verwüstete die Kirche aus Wut, nichts Wertvolles gefunden zu haben. Während des Spanischen Bürgerkriegs kam es 1937 sogar zu einer Seeschlacht in dieser Bucht, bei der die Nationalisten die Republikaner besiegten. Und im Jahr 1978 gab es eine rätselhafte Brandstiftung, durch die die alte Kapelle weitgehend zerstört wurde. Der heutige Sakralbau ist also eine Rekonstruktion.

Früher war es Brauch, dass die Pilger nach dem Aufstieg dreimal die Glocke der Kapelle läuteten. Inzwischen hat man den Strick abmontiert – es wäre zu viel des Gebimmels geworden. An die Stelle des Glockengeläuts sind aktuell die obligatorischen Gipfel-Selfies der GoT-Fans getreten. Die Johannes-Kapelle muss viel Trubel verkraften.

Am Ende hat Jon Schnee in GoT die Welt gerettet. Allerdings ohne persönliches Happy End für ihn und die Drachenkönigin (das wäre auch zu kitschig gewesen). Jon Schnee zieht sich zurück in die Einsamkeit – und wäre damit hier auf dem Felsen von Gaztelugatxe gut aufgehoben. Aber erst abends zur Dämmerung, nachdem die GoT-Pilger ihren täglichen Angriff auf das Inselchen beendet haben und es wieder der stürmischen Einsamkeit der Biskaya überlassen.

Tipps und Links:
Der Eintritt zur Insel ist frei, aber eine Vorab-Reservierung per Internet ist absolut notwendig:
https://www.tiketa.eus/gaztelugatxe
Da die Kapazität sehr begrenzt ist, wird der Einlass streng kontrolliert, man muss also exakt zur reservierten Uhrzeit vor Ort sein. Vom offiziellen „Eingang“ führt ein Pfad steil nach unten (1 Kilometer) zur Brücke von Gaztelugatxe. Rutschfeste Schuhe sehr zu empfehlen.

Und so kommt man dahin:
https://www.disfrutabizkaia.com/blog/llegar-gaztelugatxe-en-bus-verano-bizkaia

Mehr Info:
https://www.bizibermeo.eus/gaztelugatxe-y-matxitxako
Von Bilbao oder Bermeo fahren Busse bis Bakio („Bizkaibus“). Von dort muss man einen weiteren Bus bis Gaztelugatxe nehmen (in den Wintermonaten wird der Bus durch Sammeltaxis ersetzt – zum gleichen Preis: 1,35 EUR)