Olinda – das Fenster zur Vergangenheit

Das blaugrüne Meer, welches in unmittelbarer Küstennähe von Riffen (arrecifes) durchzogen wird, der schmale Strand und die erstaunlich üppige Vegetation – wer heute, nahezu 5 Jahrhunderte nach seiner Gründung, vom zentralen Platz Alto da Sé auf Olinda hinab blickt, dem erscheint es als ein mit Kirchtürmen durchzogener Palmenwald aus einer längst vergangenen Welt.

Dahinter ragen die Hochhäuser der Nachbarstadt Recife in den Himmel; nur 6 Kilometer trennen das verschlafen-verspielte 16. Jahrhundert von der modernen und lauten Millionen-Metropole unserer schnörkellosen Gegenwart.

Jemand nannte Olinda einst „uma janela que se abre para o pasado“ (Ein Fenster, das sich zur Vergangenheit hin öffnet). Und diese Vergangenheit hat viele Geschichten zu erzählen.

„Oh! linda. Linda situaçam para se fundar huma vila.”
(Oh wie schön. Welch schöner Platz um eine Stadt zu gründen.)

Mit diesen Worten soll Duarte Coelho, erster Capitan von Pernambuco im Nordosten Brasiliens, die Geburt der Stadt Olinda im Jahre 1536 eingeleitet haben. Er hatte Pernambuco als erbliche Capitania von König João III erhalten. Rasch gelang es ihm, im Gegensatz zu den meisten anderen Capitanias im Nordosten, das Gebiet der Kontrolle der Tobajara, Potiguar und Caeté-Indianer zu entreißen und eine funktionierende Verwaltung aufzubauen.

Innerhalb weniger Jahre stieg Pernambuco zur profitabelsten Capitania der Portugiesen in Brasilien auf, und Olinda sollte dessen Zentrum werden, ein florierendes Handelszentrum, umgeben von Zuckerrohrplantagen, riesigen Feldern mit Herrenhaus und Sklavenhütten.

In den natürlichen Häfen, geschützt durch die der Küste vorgelagerten Riffs, ankerten die Überseefahrer, die Sklavenschiffe, und entließen ihre schwarze Fracht in die Unfreiheit eines dem Zuckerrohr geweihten Lebens. Über all dem thronte Olinda, in Form einer Akropolis auf acht sanft ansteigenden Hügeln, Sitz und Sinnbild der reichen portugiesischen Landaristokratie.

Die Holländer setzten dem 1630 ein jähes Ende: Sie plünderten die Stadt und brannten sie nieder. Prinz Johan Moritz von Nassau-Siegen, Gouverneur der den Portugiesen entrissenen Gebiete, die sich zeitweise von Salvador da Bahia bis nach Ceará hinauf erstreckten, ließ daraufhin im Jahre 1637 ungefähr 6 Kilometer weiter südlich am Zusammenfluss des Rio Beberibe mit dem Rio Capibaribe eine neue Stadt gründen; ihm zu Ehren Maurícia (später Recife) genannt, Sitz der holländischen Verwaltung.

Doch auch nachdem die Holländer 1654 von den Portugiesen endgültig vertrieben worden waren, konnte Olinda seinen ehemaligen Glanz nicht wieder erlangen.

Seit dieser Zeit fristete die Schöne ihr Dasein im Schatten des aufstrebenden Recife, umringt von den ausgreifenden Favelas am Rande des Millionen-Molochs, losgelöst von der Zukunft, verloren in der Zeit.

1982 erklärt die UNO Olinda zum Weltkulturerbe. Man beginnt mit der Restaurierung der Stadt, die halb verfallenden Häuser werden zu Pousadas, kleinen Herbergen und Restaurants umgebaut.

Zahlreiche Kunstgalerien entstehen, und es entwickelt sich eine Künstlerszene, wie sie wohl in dieser Konzentration in keiner anderen Stadt des Nordostens zu finden ist, was Olinda in heutiger Zeit den Ruf eines versnobten Künstlerdorfes eingebracht hat.

Berühmt ist die Stadt für ihr Puppenhandwerk und ihren ausgelassenen Carneval.

Es ist schick, die 5. Jahreszeit hier zu verbringen, weit weg vom kommerziellen Touristenkarneval Rio de Janeiros.

Olinda wirkt wie eine Insel der Schönheit und der Ruhe inmitten der Armut des Nordostens, der scheinbar unendlich sich erstreckenden Zuckerrohrfelder der Küstenregion, der Hektik Recifes und des täglichen Überlebenskampfes in den Favelas um sie herum.

„Olinda nasceu mais para os olhos“ – Olinda wurde für die Augen geboren.