Weltmusikmesse Womex (04/2005)

Lateinamerikanische Musik bleibt auf dem Weltmusik-Markt – zu Recht – sehr präsent, ebenso wie neue Interpreten von der Iberischen Halbinsel.

Beginnen wir unsere musikalische Reise auf der Iberischen Halbinsel: Auf dem Label Boa ist eine tolle Sammlung mit weiblichen Flamenco-Stars erschienen. „Flamenco Woman“ vereint Sängerinnen aus den 1940er und 50er Jahren wie Lola Flores oder Dolores Vargas mit jungen Talenten wie Marina Heredia und Exoten wie Martirio: Eine sehr gelungene Mischung.

Das Projekt 08001, benannt nach der Postleitzahl des Stadtviertels Raval in Barcelona, spiegelt die multikulturelle Bewohnerschaft dieses Bezirks musikalisch wider: 23 Musiker, darunter Spanier, Lateinamerikaner, Araber und Afrikaner, spielen sich auf „Raval ta Joie“ (Organic Records) durch die Welt der Musik: Flamenco trifft auf Rock und Dub, Rai auf Trip-Hop: Ein gelungenes Fusion-Projekt – auch wenn ich nicht die Meinung einiger so genannter Weltmusikexperten teile, dass nur in der Fusion die Zukunft liegt – an dem der spanische Anteil musikalisch wenig in Erscheinung tritt.

Auf „Tanger“, der neuen Doppel-CD des Spaniers Luis Delgado (Nubenegra), werden die arabischen Wurzeln der spanischen (Musik-) Geschichte erforscht. Mit spanischen und marokkanischen Musikern spielte er elf Titel live in Tanger ein, deren Texte von arabischen Poeten aus dem 10. bis 12. Jahrhundert stammen.

Die spanischen Zwillingsbrüder Rafael (sax) und Victor (piano) Alcántara leben in München und präsentieren auf „Vive la Vida“ groovigen Jazz, aufgenommen mit Musikern aus Spanien und Deutschland.

Dass es sich um spanische Musiker und Komponisten handelt, ist nur an den Vokal-Titeln zu erkennen, die meist einen leicht poppigen Charakter haben: mit Ausnahme von „No pudieron matar mis sueños“, das vom Madrider Attentat 2004 inspiriert ist und des schmalzigen „Tu sonrisa en mi cara“: Anklänge an den Flamenco oder andere „typische“ spanische Musikstile fehlen hier erfreulicherweise gänzlich.

Flamenco pur gibt es dann auf dem 12. Album von Vicente Soto „Estar alegre“. Bulerías, Alegrías und Tangos – alles Eigenkompositionen – werden hier geboten, deren Texte sich um Liebe und Leidenschaft drehen: Trotz der oft traurigen Inhalte bleibt die Musik fröhlich und erfrischend.

Anklänge an den Flamenco gibt es auch in der Musik der Gruppe EA! aus Cádiz.

Sie fusionieren auf „Un sentir“ (EAMÚSICA) ihre Stücke mit afrikanischer und baskischer Perkussion, arabischen und baskischen Gesängen: Poppige Weltmusik, die in diesem Stil Viele machen (alle: Vertrieb galileo mc).

Der große katalanische Sänger Lluís Llach hat auf seiner neuen Live-CD „Poetes“ (BMG) die Texte (berühmter) katalanischer Dichter des 20. Jahrhunderts, u.a. Màrius Torres, Joan Fuster und Miguel Marti i Pol, zu Liedern verarbeitet.

Damit trifft der ehemalige Anti-Franco-Sänger die katalanische Seele. Aber auch für Nicht-Katalanen sind die sparsam instrumentierten Lieder ein Genuss.

Cover: amazon