Spanische Spuren in Manila

Das wundertätige Jesuskind von Kapitän Magellan

Alles begann mit einem Jesuskind, einer kleinen Statue, die der Entdecker Magellan am 7. April 1521 der Königin der philippinischen Insel Cebu schenkte. Diese war so entzückt, dass sie sich spontan auf den Namen Juana taufen ließ und die erste Katholikin im heute einzigen katholischen Land Asiens wurde. Fernando de Magalhaes war der eigentliche Name des tauffreudigen Portugiesen, der 1519 im Hafen von Sevilla im Auftrag der spanischen Krone aufgebrochen war, um den Seeweg zu den fernöstlichen Gewürzinseln zu erkunden. Das mutige Unternehmen fand als erste Weltumsegelung Eingang in die Geschichtsbücher, allerdings konnte Magellan selbst ihre Vollendung nicht erleben, denn nur zwanzig Tage nach der erfolgreichen Mission in Cebu starb er auf der Insel Mactan in einem Scharmützel gegen Eingeborene, so dass Sebastian Elcano die Weltumrundung 1522 zu Ende bringen musste.

Zwanzig Jahre später erhielten diese fernen Inseln ihren Namen zu Ehren des spanischen Thronfolgers Philipp und 1564 entsendet der Vizekönig von Neu-Spanien (Mexiko) den Eroberer Miguel López de Legazpi zu den „Philippinen“, um sie unter spanische Kontrolle zu bringen und zu christianisieren. Bei der endgültigen Eroberung der Insel Cebu entdecken die Spanier die Skulptur des von Magellan über vier Jahrzehnte zuvor überreichten Jesuskindes und bauen eine Kirche für „El Niño“, dem alsbald Wunderkräfte zugeschrieben wurden. Dieses erste Symbol der Christianisierung der Philippinen wurde in den folgenden Jahrhunderten millionenfach in verschiedener Ausführung kopiert. Heute sieht man überall Jesuskinder auf den Philippinen: nicht nur in Kirchen, sondern auch in fast jedem Bus und Taxi, damit der Fahrer umso todesmutiger lenken kann (denn „El Niño“ wird alle beschützen). Man findet sie in Supermärkten und Bars, damit die Kunden vom puppenhaften Lächeln dieser Christkinder zum Konsumieren angehalten werden, und natürlich wird man in jedem philippinischen Heim, sei es Hütte oder Palast, von einem Santo Niño mit weit ausgebreiteten Armen empfangen. Mit den sehr unterschiedlichen Ambientes wechselt auch die künstlerische Qualität und die „Verkleidung“ der Jesuskinder: es gibt sogar die Version von Klein-Jesus in Uniform, wahlweise als Matrose oder als Feuerwehrmann. Und an jedem dritten Sonntag im Januar wird in vielen philippinischen Städten, natürlich auch in Manila, das Santo Niño mit aufwendigen Prozessionen gefeiert, die so farbenprächtig sind, dass manchem Fotografen schwindelig wird.

Manila als Hafen der Kostbarkeiten

Der Konquistador Legazpi erforschte das Inselgewirr sechs Jahre lang, wobei er behutsamer vorging als seine unbeliebten Vorgänger Cortés und Pizarro in Mexiko und Perú. Schließlich fand er einen Platz, der ihm attraktiver schien als Cebu: die sichere Hafenbucht der muslimischen Siedlung May Nilad – benannt nach einer weiß blühenden Mangrovenpflanze, die hier überall am Ufer wuchs.

Nachdem Legazpi den lokalen Herrscher Rajah Sulaiman besiegt hatte, legte er am 24. Juni 1571 den Grundstein für die Neugründung von Manila (May Nilad) als Hauptstadt von „Neukastilien“ (so nannte er die philippinische Hauptinsel Luzón). Der Eroberer von Spaniens Kolonialreich in Asien konnte selbst nicht mehr viel vom rasanten Aufschwung Manilas miterleben, denn er starb schon ein Jahr später. Manila wurde während der folgenden Jahrhunderte zu einer Drehscheibe des Handels zwischen den von Europa aus schwer erreichbaren Imperien von China, Japan und Indien auf der einen Seite und Mexiko/Spanien auf der anderen Seite. Durch die Niederlassung zahlreicher asiatischer Kaufleute, vor allem durch eine große Kolonie chinesischer Händler, wurde es zu einer Handelsmetropole, doch ein Vizekönigreich „Spanisch-Asien“ wurde nie gegründet. In ihrer politischen Verwaltung blieben die Philippinen und Manila fast drei Jahrhunderte lang abhängig vom spanischen Vizekönigreich Mexiko. Unendlich weit entfernt – eine Jahresreise – waren Sevilla, Sitz der Verwaltungsbehörde für die spanischen Vizekönigreiche (Consejo de Indias), und der Königshof in Madrid. Daher liefen fast alle politischen Entscheidungen und der gesamte Gütertransport zwischen Spanien und den Philippinen über Mexiko.

Neben spanischen Produkten und Haustieren (Pferde, Hühner) wurden viele mexikanische Nutzpflanzen (Avocados, Ananas, Tomaten, Papayas) über Manila in die Philippinen eingeführt und fortan dort angebaut. Und während fast 250 Jahren (von 1571 – 1815) war die sogenannte Ruta de los Galeones, die Schiffsroute zwischen Manila und dem mexikanischen Hafen Acapulco, die „Nabelschnur“, mit der die Philippinen über Mexiko mit dem spanischen „Mutterland“ verbunden waren. Obwohl eine Fahrt circa ein halbes Jahr dauerte und nur höchstens einmal jährlich erfolgte, kann die Bedeutung dieser Handelsverbindung kaum hoch genug eingeschätzt werden. Denn zum einen war dieses „Galeone von Manila“ genannte Transportschiff für damalige Verhältnisse ein Gigant mit ungeheurem Fassungsvermögen. Und zum anderen war die Fracht oft wertvoller als Gold: in Manila wurden für Mexiko und Spanien z.B. chinesische Seide und Porzellan, Perserteppiche, exotische asiatische Gewürze wie Zimt, Nelken, Pfeffer, Ingwer und Kurkuma verladen; aus Acapulco kamen vor allem mexikanisches Silber und Gold, mit dem die chinesischen Luxuswaren bezahlt wurden, und Haustiere und Nutzpflanzen sowie sakrale Kunstobjekte (Christusskulpturen, Madonnengemälde), die für die neu gegründeten Klöster und Kirchen der Philippinen bestimmt waren.

Die Ankunft dieser Schätze im Hafen von Manila (bzw. Acapulco) war das Ereignis des Jahres und das zwischen der philippinischen Hafenstadt und Spanisch-Amerika pendelnde Riesenschiff bildete das Zentrum eines interkontinentalen Handelsgeflechts. Ein Indiz für den Stellenwert dieser Schiffsroute für die koloniale Gesellschaft der Philippinen erkennt man auch in der Tatsache, dass der Erzbischof von Manila die Galeone vor jedem Auslaufen segnete und jedes einzelne Paket (heute würde man sagen „Container“) mit der frommen Aufschrift „Dios lo lleve a salvo“ (dass Gott es sicher ans Ziel bringe) versehen wurde. Denn dies war keineswegs selbstverständlich. Mindestens 26 der Galeonen sind bei Unwettern gesunken oder auf rätselhafte Weise verschwunden, vier weitere wurden von englischen Piraten gekapert, die damit für den Rest ihres Lebens ausgesorgt hatten. Der Inhalt der Kisten, die auf den Galeonen transportiert wurden, war jedenfalls sehr begehrt und erzielte in Europa Höchstpreise. Legendär wurde als textiles Statussymbol der feinen Damen Sevillas der sogenannte „mantón de Manila“, ein Schleier aus chinesischer Seide, der in Kanton hergestellt und in Manila verschifft wurde.

Die Kathedrale Manilas – achtmal auferstanden aus Ruinen

Nicht nur auf dem Meer hatten die spanischen Kolonialherren mit ungewohnten Naturgewalten zu kämpfen. Die Bautätigkeit in Manila wurde immer wieder durch Naturkatastrophen beeinträchtigt oder unterbrochen. Das koloniale Machtzentrum befand sich im barocken Viertel, das heute noch „Intramuros“ heisst. Hier wurden Gouverneurspalast und Kathedrale errichtet, seit 1591 war Manila Erzbischofssitz. Doch wer heute vor der Kathedrale (Basilica Minore de la Inmaculada Concepción) steht, ahnt schon, dass das aktuelle Gebäude wenig mit der ursprünglichen Konstruktion vom Ende des 16. Jahrhunderts zu tun hat.

Die Historie von Manilas Kathedrale ist wirklich eine Passionsgeschichte für sich: sie wurde achtmal nahezu völlig zerstört und jedes Mal aus Ruinen erneut errichtet. Der erste, noch sehr bescheidene Kirchenbau, wurde bereits 1583 durch einen Brand zerstört, die zweite Version 1588 durch einen Hurrikan, die dritte, schon repräsentative Kathedrale, im Jahre 1600 durch ein schweres Erdbeben, die vierte 1621 durch das gleiche Ereignis. 1645 und 1701 verwandeln Serien von rekordverdächtigen Erdbeben, gefolgt von Überschwemmungen, die wichtigste Bischofskirche Asiens zum fünften und sechsten Mal in einen Trümmerhaufen, auch bei der siebten Zerstörung 1863 spielte ein Erdbeben die Hauptrolle, nur die achte und totale Zerstörung 1945 war von Menschen verschuldet: die Bombardierung durch die USA. Dass Manilas Kathedrale derart häufig einstürzte, war teilweise auch auf architektonische Mängel zurück zu führen. Denn hier, in der absoluten Peripherie des spanischen Imperiums, gab es weniger Geld, schlechtere Architekten und (durch die enorme Feuchtigkeit) ein ungünstigeres Klima als in Mexiko, wo die Bauschäden bei ähnlicher Erdbebenintensität geringer ausfielen.

Die Dombaumeister von Manila waren nicht zu beneiden in ihrer Sisyphusarbeit und ein Mönch klagt in einem Brief, dass „das Beten in der Kathedrale nur unter größter Lebensgefahr möglich sei…“ Erzbischof Martínez de Arizala bittet den Consejo de Indias Anfang des 18. Jahrhunderts, ihm „endlich einen fähigen Baumeister aus Neu-Spanien (Mexiko) zu senden…“

Wie auch in anderen spanischen Überseegebieten war auf den Philippinen und besonders in Manila die katholische Kirche, auch dank der Aktivitäten ihrer mächtigen Orden (Dominikaner, Franziskaner, Jesuiten), die tonangebende gesellschaftliche Institution. Die Dominikaner gründeten bereits 1611 die Universidad de Santo Tomás, Asiens älteste Universität. Aber die Lehrplände dieser und anderer Bildungseinrichtungen mussten natürlich kirchenkonform sein und die Kirche trug dazu bei, kritische Stimmen auf den Philippinen bis zum Ende der spanischen Herrschaft zu unterdrücken.

Der tragische Nationalheld José Rizal – ein spanischer Dichter

Dagegen protestierten immer mehr eingeborene Filipinos. Der berühmteste von allen wurde Dr. José Protasio Rizal, geboren 1861. In vielen Texten wurde er später unsinnigerweise als philippinischer „Unabhängigkeitskämpfer“ dargestellt. Das war er keineswegs, sondern in erster Linie war er ein zutiefst spanisch denkender Dichter und ein Filipino der reichen Oberschicht. Sein Vater stammte ab von eingewanderten Chinesen, seine Mutter war Mestizin und Rizal selbst nicht der philippinische Nationalist, zu dem er später in vielen Schulbüchern stilisiert wurde. Man könnte ihn eher als „Weltbürger“ bezeichnen, der in Madrid mit Auszeichnung in Philosophie promovierte, unter anderem in Heidelberg (!) studierte und ganz Europa sowie die USA bereiste. Im Gegensatz zu den Rebellen des späteren Unabhängigkeitskriegs der Philippinen forderte Rizal wiederholt die völlige Hispanisierung der Philippinen – diese sollten allerdings keine Kolonie, sondern gleichberechtigte Provinz Spaniens mit Abgeordneten im spanischen Parlament werden.

Es wurde Rizal jedoch zum Verhängnis, dass viele der Rebellen, die mit Gewalt für die Unabhängigkeit kämpften, seine (verbotenen) Bücher gelesen hatten und sich dadurch inspiriert fühlten. Tatsächlich aber waren seine Romane „Noli me tangere“ (erstmals gedruckt in Berlin 1887) und „Filibusterismo“ (Gent, 1891), in denen er die damaligen Zustände (korrupte Kolonialverwaltung, allmächtige Kirche und die Doppelmoral vieler Priester) heftig anprangerte, ein Plädoyer für dringende Reformen, aber kein Aufruf zur Lossagung von Spanien. Auch seine übrigen Schriften, Gedichte und Artikel in der von ihm zusammen mit anderen philippinischen Studenten in Barcelona publizierten Zeitschrift „La Solidaridad“ waren anti-kolonialistisch, aber nicht anti-spanisch. Dennoch wurde er zur charismatischen Symbolfigur eines neuen philippinischen Selbstbewusstseins. Sprachgewaltig wie kaum ein anderer seiner Generation attackierte er die von ihm so genannte „frailocracia“ (Herrschaft der Mönche) in seiner Heimat und forderte endlich einheimische Priester statt klerikalem Kolonialismus. Während es in Spanien durchaus Politiker gab, die seine Ideen unterstützten, werden seine beiden Romane unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Manila 1892 verboten.

Vor allem dem katholischen Klerus sind José Rizal und sein Werk ein Dorn im Auge. Als er noch im gleichen Jahr die gewaltfreie Reformbewegung Liga Filipina gründet, wird er zunächst auf die Insel Mindanao verbannt. Schließlich initiiert der von Andrés Bonifacio gegründete Geheimbund Katipunan („Bruderschaft der Söhne des Volkes“) im Herbst 1896 eine bewaffnete Rebellion gegen die Kolonialmacht Spanien. Obwohl sich Rizal eindeutig von Zielen und Methoden der Katipunan distanziert, wird er wenig später verhaftet. Die Rebellen haben sich zu deutlich durch die Lektüre der Schriften des „Aufklärers“ Rizal inspirieren lassen, dies wird ihm zum Verhängnis. Er wird zum Tode verurteilt und am 30.12.1896 im Alter von nur 35 Jahren erschossen. In der Todeszelle schreibt er wenige Stunden vor seiner Hinrichtung sein letztes Gedicht „Mi Último Adiós“ – natürlich auf Spanisch und in klassischer Form, ein bewegendes Testament seines ungebrochenen Stolzes. Obwohl er bis zuletzt – und auch zu Recht – seine Unschuld an der bewaffneten Rebellion beteuert, soll er dem Hinrichtungskommando den Rücken zuwenden – als Zeichen für „Vaterlandsverrat“. Doch im letzten Moment wirft Rizal sich herum und blickt seinen Henkern ins Gesicht als er tödlich getroffen zu Boden sinkt. Eine Szene, die an filmreifem Pathos kaum zu überbieten ist – umso erstaunlicher, dass die Biographie dieses bald als Märtyrer verehrten philippinischen Nationalhelden bisher noch nicht prominent verfilmt worden ist…

300 Jahre spanisches Kloster und 45 Jahre „Hollywood“

Auf diese kurze Formel bringen die Filipinos oft ihre Geschichte bis zur Unabhängigkeit 1946. Dabei ist der erste Teil im Kern durchaus zutreffend, der zweite jedoch äußerst euphemistisch, denn mit Hollywood hatte das was nach der Ablösung der Spanier kam, nichts zu tun – es sei denn mit einem Horrorfilm. Nach Rizals Hinrichtung hatte der Unabhängigkeitskrieg der Filipinos richtig begonnen, Anfang 1898 kam es zu vorübergehendem Waffenstillstand, doch als die USA im April 1898 Spanien den Krieg erklären, nehmen die philippinischen Rebellen unter Führung von Emilio Aguinaldo den Kampf wieder auf. Jahrzehnte lang haben verschiedene Regierungen der USA die Kolonialmächte des Alten Europa verurteilt und allen amerikanischen Unabhängigkeitsbewegungen, angefangen bei Simón Bolívar, applaudiert.

Doch als Aguinaldo am 12. Juni 1898 nach dem vereinten Sieg gegen Spanien die Unabhängigkeit der Philippinen proklamiert, zeigen die USA ihr wahres Gesicht. Sie erkennen die unabhängige Republik nicht an, denn die US-Regierung findet es praktischer, US-$ 20 Millionen an Spanien zu zahlen und die Philippinen ganz einfach selbst als strategisch günstige Kolonie zu übernehmen. Willkommen im Club der Kolonialmächte! (Mit Kuba und Puerto Rico verfuhren die USA 1898 genauso). Nachdem sich die Filipinos unter General Aguinaldo vom Schock dieses Verrats erholt haben, beginnen sie einen zweiten Unabhängigkeitskrieg, diesmal gegen die ungleich mächtigeren USA. Als Aguinaldo im März 1901 gefangen genommen wird, gilt dieser Krieg zwar offiziell als beendet, wird aber mit Guerilla-Taktik in einigen Regionen weiter geführt.

Die brutale Unterdrückung der philippinischen Unabhängigkeitsbewegung, von den wenigen kritischen US-Autoren als „erstes Vietnam“ bezeichnet, gehört zu den vergessenen Kapiteln der Außenpolitik der USA – und zu den blutigsten. Selbst nach zurückhaltenden Schätzungen starben in einem einzigen Jahrzehnt (1898 – 1908) mehr Filipinos durch die Kriegsgewalt der USA als in dreieinhalb Jahrhunderten spanischer Kolonialherrschaft: insgesamt mindestens eine Million, d.h. etwa 10% der damaligen Gesamtbevölkerung. Davon starben etwa eine Viertelmillion direkt im Krieg und weitere 750.000 durch Hunger und kriegsbedingte Krankheiten. Bei der Unterdrückung der Guerilla-Bewegung waren die neuen Kolonialherren nicht zimperlich, mehrfach sind rassistische Übergriffe und Fälle dokumentiert, in denen US-Kommandanten zur „Abschreckung“ die Erschießung aller männlichen Bewohner (auch Kinder) von Dörfern im Guerilla-Gebiet angeordnet haben.

Obwohl die USA neben ihren üblichen kommerziellen Segnungen, mit denen sie nach dem Abebben der Gewalt die Inseln überschwemmen, auch Pressefreiheit gewähren, werden die Massaker während des (vergeblichen) Unabhängigkeitskriegs bis heute weitgehend totgeschwiegen. Im Zweiten Weltkrieg waren es die Japaner, die in Manila grauenhafte Massaker an der Zivilbevölkerung verübten, aber auch die USA verabschiedeten sich so brutal aus der Geschichte der Philippinen wie sie gekommen waren. Sie bombardierten Manila (zwar unter japanischer Besatzung befindlich, aber immer noch Hauptstadt ihrer eigenen Kolonie!) so gründlich, dass die Stadt inklusive der barocken Altstadt Intramuros beinahe dem Erdboden gleich gemacht wurde. Wer weiß heute in Europa, dass Manila, einstmals bekannt als „Perle des Pazifik“ – nach Warschau – die durch den Zweiten Weltkrieg am meisten zerstörte Stadt war?

„Hollywood“ hinterließ also apokalyptische Kulissen als man 1946 die Philippinen in die Unabhängigkeit entließ. Innerhalb der Trümmer von Intramuros hatte wie durch ein Wunder die kleine Kirche San Agustín (Weltkulturerbe der UNESCO), erbaut im spanisch-mexikanischen Barock, das Bombeninferno überlebt. Was blieb sonst an Spuren der spanischen Vergangenheit in Manila? Unzählige Namen und das riesige Denkmal für den philippinischen Nationaldichter José Rizal, dessen Sprache Spanisch war und der nicht begeistert gewesen wäre über die Entscheidung der Regierung, Spanisch 1987 als Pflichtfach für die Zulassung zur Universität abzuschaffen. Denn dies wird zum endgültigen Verschwinden der Kultursprache Spanisch auf den Philippinen führen – schon heute können höchstens noch 10% der Filipinos die Werke ihres spanischsprachigen Nationalhelden im Original verstehen.

Heute ist Manila eine von englischsprachigen Reklamen dominierte Megacity mit circa 12 Millionen Einwohnern und hat im Stadtzentrum mit über 41.000 Einwohnern pro Quadratkilometer die höchste Bevölkerungsdichte weltweit. Mit Sicherheit gibt es hier auch die weltweit höchste Dichte an Jesuskind-Figuren – und die verstehen nach wie vor nur Spanisch.

Fotos: Wolfgang Reik