Biertest: Modelo Especial

Mit gechilter Sangrita ein echt gutes Bier

Der Befund des Hormontests bestätigt das schwarz auf weiß: Langsam aber sicher mutiere ich zu einem abgeschlagenen, verweiblichten Allergiker mit Wassereinlagerungen. Wow. Schuld daran ist das verkorkste Verhältnis der beiden Hormone Östradiol und Progesteron.

Meine Frauenärztin – ich würde auch zum Männerarzt gehen, aber den gibt es in unserem verschlafenen schulmedizinischen System ja nicht – hatte mir den Schabernack, den unsere Hormone ab einen gewissen Alter mit uns treiben, auf einem langen Spaziergang erläutert. Übrigens auch das Manko des fehlenden Männerarztes.

Ich hab noch ne Freundin und Heilerin. Die ist Heilprakterin. Auch sie riet mit zu einem Hormontest, hat aber aufgrund meiner diversen Leiden, von denen die Abgeschlagenheit nur eines ist, einen ganzheitlichen Ansatz vorgeschlagen. Einen miasmatischen Ansatz. Dieser beinhaltet neben der Hormontherapie eine Entsäuerung und das Austreiben vererbter oder erworbener Ablagerungen heftiger Krankheiten durch Globuli.

Oh weh Globuli! Seit ich mich in der Öffentlichkeit oute als Globuli-Konsument werde ich nicht mehr ernst genommen. Möge das bei der Verkostung anders laufen.

1989 in Mexiko

Freunde aus Guatemala hatten uns ihren Bulli für eine Trip nach Mexiko geliehen. Einzige Bedingung: Wir sollten eine Auswahl an Mezcal mitbringen. Der Trip hatte so viele Highlights, dass ich direkt zu unserem letzten Abend springe. Wir besuchen einige Bars in Oaxaca. Modelo Especial ist unser bevorzugtest Bier. Zwischendurch ein paar Mezcal, immer wieder Sangrita, Limonen mit Salz und mit Knoblauch geröstete Erdnüsse.

Der nächste Morgen. Aufstehen um 5.30 Uhr. Losfahren … Stop. Da war doch noch was. Wir hatten den Mezcal vergessen. Also ab in den Kiosk unten an der Ecke: Hola. Gibt es Mezcal? Wie sich herausstellt eine blöde, unüberlegte Frage. Die Verkäuferin stellt ohne zu antworten 12 Glas- und Plastikflaschen mit Hand beschrifteten Etiketten auf den Tresen und gießt aus allen 12 in kleine Plastikbecher ein. Der Gastfreundschaft mit größt möglicher Aufmerksamkeit begegnend, trinken wir alles aus, kaufen sechs Flaschen und fahren schweigend gen Guatemala. Eine harte Fahrt.

Modelo im Kiosk

In einem Späti in Berlin entdecke ich das am letzten Abend in Oaxaca so geliebte Bier: Modelo Especial. Ich gebe dem Kollegen von damals Bescheid und improvisiere im kalten deutschen November ein lauschiges Verkostungs-Setting: ein paar Pflanzen auf den Tisch, die Heizung auf 5, dazu röste ich Erdnüsse mit Knoblauch und mixe eine Dose Tomaten mit ein wenig O-Saft, Tomatenmark und den beiden Chilisorten Habaneros (Hölle) und Chipotle (rauchig) – ergibt einen authentisch gechilten Sangrita.

Na dann mal los

Auf dem Etikett lese ich unter Inhaltsstoffe Papain. Ein Enzym, gewonnen aus der grünlichen Schale und den Kernen der Papaya. Es stabilisiert, verhindert das Trübwerden des Bieres. Und ist bestimmt im Sinne meiner Heilpraktiker-Freundin und meines Darms.

Mit von der Partie ist das Antioxidationsmittel Ascorbinsäure, also Vitamin C. Es reduziert den Sauerstoff und erhöht damit die Haltbarkeit. Dann haben wir es noch mit dem Stabilisator E405 zu tun. Dieser sorgt neben einem stabilen Schaum für die Vollmundigkeit. Und zu guter Letzt: Zuckerkulör E150. Dieser künstliche Zusatzstoff zeigt sich verantwortlich für die satte dunkelgelbe, spätsommerliche Farbe.

Die Nase signalisiert: Der Geruch ist gar nicht so schlimm. Ein bisschen nach nassem Feldhamster, aber das dezent. Also ab in den Mund. Wir lassen den Schluck von links nach recht und wieder zurück tanzen. Obwohl in der Flasche serviert, schmeckt das Modelo bestenfalls nach rostiger Blechdose. Da haben sie’s wohl doch kaputt pasteurisiert.

Wir entscheiden uns zu stürzen und spülen mit dem Hölle scharfen Sangrita hinterher. Die Chipotle bildet die Vorhut. Sie füllt den Mund mit Rauch. Die Havanero eilt im Schutze des Nebels hinterher und entfacht ein loderndes Feuer. Gegen den Schmerz der Schärfe hilft nur mehr Modelo. Und nach der zweiten Flasche und dem zweiten Sangrita ist der eher fiesere Geschmack des Bieres überlistet.

Bewertung

Am Morgen nach der Verkostung ist mir ganz ähnlich zu Mute wie 1989 Jahren nach dem Mezcalumtrunk zur Morgenstund. Ich überlege, bei welcher meiner beiden heilenden Freundinnen ich mir Rat suchen soll. Nach einigem Abwägen entscheide ich mich für die trinkfeste Frauenärztin und ihre schonungslosen Drogen. Bei der abschließenden Bewertung geht es daher wieder munter zu: Arriba, abajo, al centro, pa dentro.