Lustvoll steckt sich Sucesión ein paar Trauben in den Mund. Es sind Sauvignon Blanc Trauben. Sie schmecken spritzig-frisch und Sucesión ist sich sicher: „Das gibt einen hervorragenden Wein!“. Auf seinem Weinfeld herrscht Hochbetrieb, denn es ist Weinlesezeit. Fleißige Hände schneiden die kostbaren Beeren mit Gartenscheren ab, lagern sie in Körben zwischen und schütten sie dann vorsichtig in einen Traktorenanhänger. „Mein Vater bekam im Rahmen der Landreform in den 1960er Jahren diese paar Hektar Land zugesprochen. Er baute zunächst für den lokalen Markt Gemüse an. Der Verdienst war allerdings so schlecht, dass er Weinreben pflanzte und die Trauben an hiesige Weingüter verkaufte. Diese drückten den Traubenpreis jedoch immer weiter. Und so gründete mein Vater 1997 gemeinsam mit 15 anderen Kleinwinzern die Sociedad Vitivinícola de Sagrada Familia“, erzählt Sucesión. Nach dem Tod des Vaters wurde er Mitglied in der Weinbauerngesellschaft. Heute bewirtschaftet Sucesión acht Hektar Rebfläche. Neben Sauvignon Blanc baut er auch Cabernet Sauvignon, Merlot und Carménère an.
Die Weinfelder der Mitglieder der Sociedad Vitivinícola de Sagrada Familia liegen im Valle de Curicó, einem der besten Weinbaugebiete Chiles. Wegen der enormen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht herrschen hier ideale Anbaubedingungen für komplexen, kraftvollen Rebensaft. In Zentralchile beginnt die Weinlese Mitte Februar mit den weißen Trauben und endet Ende April mit den roten. Sucesións Pflücker haben zwischenzeitlich die gesamten Sauvignon Blanc Trauben geerntet und wir bringen sie zusammen mit ihm zur Bodega Correa Albano. Ein eigenes Weingut konnten sich die Kleinwinzer bislang nicht leisten. Sie dürfen aber in der Bodega Correa Albano ihre Trauben zu eigenem Wein weiterverarbeiten. Dort treffen wir Raul Navarrete, den Geschäftsführer der Sociedad Vitivinícola de Sagrada Familia. Gemeinsam schauen wir beim Entladen, Entrappen und Maischen der Trauben zu, die dann in einer Hightechpresse gekeltert werden. „Don Sebastian, der Weingutbesitzer, hat in Absprache mit uns die neue Presse gekauft und seine Kellertechnik modernisiert. Die Zusammenarbeit mit ihm funktioniert sehr gut. Natürlich hätten wir lieber eine eigene Bodega, denn dann müssten wir nichts für die Nutzung der Maschinen und Räumlichkeiten bezahlen. Dennoch sind wir froh über die Lösung. Früher haben wir nur Trauben produziert und heute veredeln wir sie mit der Hilfe zweier Önologen zu hochwertigem Wein! Unser Verdienst hat sich vervielfacht, vor allem auch, weil wir direkt mit Fairhandelspartnern in Europa zusammenarbeiten“, erklärt Raul.
Wir schlendern durch die Kellerei zu riesigen Edelstahltanks und kleinen Eichenholzfässern, auf denen das Logo der Sociedad Vitivinícola de Sagrada Familia prangt. „Die Behälter gehören uns. In ihnen gären und reifen unsere Weine. Am besten probieren wir mal!“, schlägt Raul vor. Wir beginnen mit einem eleganten Sauvignon Blanc aus dem Vorjahr, der nur noch in Flaschen abgefüllt, etikettiert und exportiert werden muss. Es folgen ein rubinroter Cabernet Sauvignon, ein vollmundiger Merlot und ein Carménère, dessen Aroma an Vanille und Pfeffer erinnert. Das Potential der Rotweine kann man nur erahnen, denn sie müssen noch weitere ein bis zwei Jahre in den Barriquefässern reifen. Vor allem die Bioweine der Sociedad genießen weltweites Ansehen. Beim internationalen bioweinpreis 2013 wurden ihre Lautaro-Weine Cabernet Sauvignon (2011), Merlot (2011) und Carménère (2011) mit Silbermedaillen prämiert.
Und die Kleinwinzer können nicht nur auf vinologischem Gebiet Erfolge aufweisen, sondern auch im sozialen Bereich. Weil sie über 90 Prozent ihres Weins über den Fairen Handel verkaufen, erhalten sie neben einem gerechten Preis auch eine Fairtrade-Prämie für Gemeinschaftsprojekte. Die Sociedad Vitivinícola de Sagrada Familia unterhält mit diesem Geld eine Kranken- und Unfallversicherung für die Mitglieder. Außerdem wurde ein Erziehungsfond eingerichtet, der es den Winzerkindern ermöglicht, die Universität zu besuchen. Einige Nachkömmlinge arbeiten heute als Ärzte, Lehrer und Ingenieure. Ohne den Fairen Handel wäre für sie ein solcher Bildungsaufstieg nicht möglich gewesen.
„Wir haben unseren Wein nach Lautaro benannt, einem jungen Mapuche, der 1553 einen Widerstandskrieg gegen die spanischen Eroberer organisierte. Vier Jahre später geriet er am Ufer des Río Mataquito in einen Hinterhalt und starb. Das war hier ganz in der Nähe und der Fluss bewässert heute unsere Weinfelder“, lässt uns Raul wissen. Augenzwinkernd fügt er noch hinzu, dass man Lautaro-Weine in Europa in Weltläden kaufen kann.
Fairtrade-gesiegelten Wein gibt es seit 2005. Sein Marktanteil ist mit 0,02 Prozent allerdings gering. Bislang profitieren in Chile, Argentinien und Südafrika Kleinwinzer vom Fairen Weinhandel, denn er sichert ihnen eine angemessene Existenz. Außerdem geht das Konzept auch für die Konsumenten auf. Ihnen bieten die edlen Tropfen einen fairen Weingenuss!
Fotos: Dr. Jutta Ulmer + Dr. Michael Wolfsteiner
Weitere Informationen zu den Autoren und ihrem Projekt findet ihr unter:
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