Elcanos Weltumsegelung vor 500 Jahren (Teil 2)

Endlos-Blau und das Würfeln um die letzte Ratte

Magellans Irrfahrt durchs Insel-Labyrinth
Von der Bucht von San Julián bis zu Magellans Tod:

Am 21. Oktober 1520, schon mitten im patagonischen Frühling, entdeckte die Flotte von Fernando Magellan einen Meeresarm im äußersten Süden Amerikas und ein trostloses Kap, das die Einfahrt zu bewachen schien. Da der 21. Oktober der Tag der heiligen Ursula ist, taufte Magellan dieses Kap zu Ehren der heiligen Kölner Prinzessin und der angeblich mit ihr zusammen ermordeten 11.000 Jungfrauen „Cabo de los 11 mil Vírgenes“.

Straße von Magellan
Magellanstraße

Magellans kleine Flotte, ohne dies zu wissen, verließ nun endgültig den Atlantik und tauchte ein in ihren Weg ohne Wiederkehr – ins Ungewisse Richtung Westen, in der Hoffnung, die ersehnten asiatischen Gewürzinseln zu finden. Mühsam bahnten ihre kleinen Karavellen sich den Weg durch eisigen Sturm und Regen, vorbei an den oft von Nebel verhangenen Küsten der Meeresstraße, die heute zu Recht Magellans Namen trägt. Es sollte eine fünfwöchige Odyssee durch ein verworrenes Insel-Labyrinth werden, das schon beim Blick auf die heutige Landkarte Respekt einflößt. Wie mag dieser Irrgarten erst gewirkt haben auf einen Kapitän, der sich zum ersten Mal dort hindurch wagt?

Selbst heute noch, trotz aller modernen Technik und der jetzt vorhandenen Klarheit der Route, ist die Durchfahrt durch die Magellanstraße für jedes Schiff eine Herausforderung. Damals drohten die Schiffchen dieser spanischen Gewürzflotte manches Mal vom Sturm gegen die Felsen geschleudert zu werden und oft folgten sie vergeblich einer sich öffnenden Bucht, die sie für die Passage nach Westen hielten und mussten dann umkehren. Südlich der heutigen einzigen Großstadt an der Südspitze Amerikas, Punta Arenas, teilt sich die Passage in drei Meeresarme und Magellan befahl dem größten Schiff, der San Antonio, dem südlichen zu folgen, während er selbst auf dem westlichen weiter segelte.

Der nächtliche Verrat der San Antonio

Auf der San Antonio befanden sich viele Matrosen, die in die Meuterei gegen Magellan in der Bucht von San Julián verwickelt waren oder zumindest insgeheim mit den Magellan-Gegnern sympathisierten. Einer von ihnen, Esteban Gómez, zettelte eine Meuterei gegen den Kapitän der San Antonio an. Dieser wurde eingesperrt und Gómez überredete die Besatzung dazu, nach Spanien zurück zu kehren. Dabei hatte der Meuterer leichtes Spiel, denn die Mehrheit der Männer, durchgefroren und zermürbt vom patagonischen Winter, glaubte nicht mehr daran, jemals die Gewürzinseln zu finden und sehnte sich nur noch zurück ins warme Andalusien. Im Schutz der Nacht segelte die San Antonio zurück durch die Magellanstraße nach Osten und dann entlang der südamerikanischen Küste und über den Atlantik zurück nach Sevilla.

Dort angekommen am 21. Mai 1521 (über ein Jahr vor Elcanos Wiederkehr), klagten sie Magellan des Verrats gegen die spanische Krone an – dabei waren sie selbst die Verräter, die das größte Schiff der Flotte entführt hatten. Über ein Jahr lang waren sie (und wohl auch die Auftraggeber) überzeugt, dass Magellan und der Rest der Entdecker-Truppe irgendwo im Nirgendwo ums Leben gekommen wären. (Für Magellan selbst traf dies zu, aber für Gómez und die anderen Meuterer der San Antonio muss es ein Schock gewesen sein, als die Totgeglaubten auf Elcanos Schiff Victoria mit einem Schatz von ca. 32 Tonnen Gewürznelken am 8. September 1522 wie eine Fata Morgana im Hafen von Sevilla erschienen).

Der erste Meilenstein der Weltumseglung

Magellan ahnte nichts vom Verrat der San Antonio und dem Verlust seines größten Schiffes. Er segelte im November langsam weiter durch den engen Meeresarm. Ab und zu ließ er in einer der Buchten Anker werfen, um zu fischen und Süßwasser zu suchen. Ein interessantes und nicht unwichtiges Detail: Pigafetta, der italienische Chronist der Expedition,  berichtet wie sie beim Ankern vor einem der Inselchen an Land gingen und eine Art Selleriekraut in großen Mengen pflückten, um es zu essen und in Essig eingelegt als „Konserve“ mitzunehmen. Dies hat vielleicht vielen das Leben gerettet, da es sie auf der monatelangen Überfahrt durch den Pazifik vor dem Tod durch Skorbut bewahrt hat. Magellans Männer staunten über den enormen Fischreichtum und Pigafetta nennt eine der Buchten deshalb „Rio de las Sardinas“. Inmitten dieses Insel-Labyrinths schickte Magellan eine Schaluppe mit kleiner Besatzung voraus, um das, was er für eine Durchfahrt hielt, weiter zu erkunden. Wenig später kam diese Vorhut mit der kaum noch erhofften Nachricht zurück, dass dieser Meeresarm sich zu einem großen, offenen Ozean nach Westen hin öffnete. „Wir alle weinten vor Glück“, notierte der Chronist Pigafetta in sein Tagebuch und nannte den Ort „Cabo Deseado“ – das ersehnte Kap. Magellan wartete noch zwei Tage vergeblich auf die Rückkehr der San Antonio, dann befahl er den Aufbruch gen Westen. Die Passage zum Pazifik  gefunden zu haben, die heute seinen Namen trägt, war der erste große Meilenstein dieser Weltumseglung

Kartenspiel und Würfeln um die letzte Ratte zum Überleben

Am 28. November 1520 verließ Magellans Rest-Flotte von drei Karavellen die Passage und nahm Kurs auf das offene Meer, von dem niemand wusste, dass es der größte aller Ozeane ist. Pigafetta notiert noch voller Optimismus: „Wir drangen ein in das große Meer…“. Magellan glaubte, dass die Distanz von dort zu den Gewürzinseln ähnlich oder kürzer sei wie die von den Kanarischen Inseln zur Karibik. Doch diese Überfahrt wurde zur längsten dokumentierten Strecke, die bis dahin ein Schiff ohne Landgang zurückgelegt hatte und änderte grundlegend das Bild der Welt. Magellan taufte den „neuen“ Ozean „Pacífico“ – den „Friedlichen“. Dabei ist der Pazifik eigentlich sehr stürmisch, aber die Entdecker hatten damals großes Glück. Es gilt heute als wahrscheinlich, dass im Winter 1520 das Wetterphänomen „El Niño“ für ein ruhiges Meer ohne Stürme sorgte. Wenn der Kapitän mit der Flotte auf dem direkten Weg (auf Höhe des 54. oder 52. Breitengrades) von Feuerland Richtung Westen gesegelt wäre, hätte wohl niemand überlebt. Denn in diesem Fall wäre man auf der endlosen Route bis zum Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas auf gar kein Land gestoßen. Magellan ließ aber seine drei Schiffe zunächst Richtung Nordwesten nahe der chilenischen Küste bis zum Äquator segeln. Nach den dunklen, eiskalten Wintermonaten und der über einen Monat dauernden Irrfahrt durch das Insel-Labyrinth zwischen Atlantik und Pazifik genossen die Matrosen nun die Wärme beim Eindringen in die tropischen Regionen. Aber die Freude darüber währte nur kurz, denn Hunger und Durst wurden zu immer quälenderen Begleitern.

Während dieser endlos scheinenden Überfahrt, die länger als 3 Monate dauerte, wurde das Trinkwasser faulig und der Schiffszwieback und andere Essensvorräte vergammelten. Pigafetta berichtet mutlos in seinem Tagebuch, dass die Konsistenz des Schiffszwiebacks „zu einem von Würmern wimmelnden undefinierbaren Pulver“ verkommen sei. Er beschreibt auch, wie die verzweifelten Matrosen begannen, um die letzten Ratten an Bord zu würfeln und Ledergurte in Salzwasser weich zu kochen, um sie zu kauen. Und im Kartenspiel wurden dem Sieger die letzten Bissen von Essbarem als Siegerpreis zugestanden. So wurden die letzten Ratten und innovative Imbisse von gekochten Ledergurten zu begehrten Trophäen. Wenig später erwähnt er, dass während der Überfahrt auf seinem Schiff 19 Männer, darunter der indianische „Gigant“ aus Patagonien an einer schrecklichen, unbekannten Krankheit gestorben waren, bei der „das Zahnfleisch die Zähne überwuchert“ (es war Skorbut).

Die „Inseln der Diebe“ als Lebensretter

Zweimal kamen sie dicht an winzigen Atollen vorbei, wo sich aber ein Landgang als unmöglich heraus stellte aufgrund gefährlicher Strömungen. Und wahrscheinlich hätte man dort ohnehin weder Trinkwasser noch Essbares gefunden. So stieg die Verzweiflung von Tag zu Tag mit der Zahl der Toten, die über Bord geworfen werden mussten. Als der größte Teil der Mannschaft schon lethargisch im Delirium lag (Wein ist eben haltbarer als Wasser), erklang im Morgengrauen des 6. März 1521 plötzlich der Ruf: „Tierra!!“ Und diesmal war es kein winziges Atoll, sondern eine Insel von beträchtlicher Größe: Guam.

Philippinen
Endlich Land

Als Magellan dort mit großen Erwartungen die Anker werfen ließ, stürmten nackte Eingeborene in wenigen Minuten das Schiff und statt sich mit langen Begrüßungen der „außerirdischen“ Besucher aufzuhalten, begannen die Bewohner Guams sofort, alles zu greifen und abzutransportieren, was ihnen gefiel. Und das war einiges. Neben viel Kleinkram entführten sie eine ganze Schaluppe und nahmen auch den Anker des Kapitänsschiffes als Souvenir mit wie Pigafetta entrüstet in sein Tagebuch notiert. Nachdem Magellan sich von dem Schock erholt hatte, befahl er einen Angriff, um das wichtige Boot zurück zu erobern. Seine Männer setzten das Küstendorf in Brand und töteten sieben Eingeborene, bevor sie die Schaluppe und den Anker zurück brachten und dabei natürlich auch rettenden Proviant für die ausgehungerte Mannschaft mitnahmen. Dann folgte der überstürzte Aufbruch.

„Islas de los ladrones“ (Inseln der Diebe) – diesen wenig schmeichelhaften Namen erhielten die Marianen, zu denen Guam gehört, von den Spaniern. Diese Namensgebung ist etwas ungerecht, denn immerhin erhielten die Europäer dort lebensrettenden Proviant und Trinkwasser. Zudem ließ die Mannschaft Magellans sieben Einheimische für ein Boot über die Klinge springen. Und es ist nicht frei von unfreiwilliger Ironie, wenn der italienische Chronist Pigafetta über die Menschen von Guam sagt:…“esos ladrones pensaban ser, sin duda, los únicos habitantes del planeta….“ (…und diese Diebe glaubten ohne Zweifel, sie seien die einzigen Bewohner dieser Erde….“). So verhielten sich wohl eher ihre europäischen „Entdecker“.

Guam
Guam – eine Insel beträchtlicher Größe als Rettung

Im Paradies: Kokosnüsse bis zum Abwinken

Am 16. März schließlich fanden diese eine Insel mit gastfreundlicheren Bewohnern, wahrscheinlich die kleine Insel Siargao nahe der heute philippinischen Insel Mindanao. Als die Eingeborenen sich näherten, ließ Magellan Gastgeschenke wie Spiegel, Glöckchen und Tuche übergeben – und erhielt dafür jede Menge Fisch, Palm-Wein und Kokosnüsse. Pigafetta beschreibt die Kokosnüsse ausführlich. Er bezeichnet die Kokosnuss als das „Brot“ dieser Region, groß wie ein Menschenkopf, und die Schale würden die Eingeborenen verbrennen, um aus ihrer Asche ihre Körperbemalung herzustellen. Das Fruchtfleisch der Kokosnuss erinnerte Pigafetta an den Geschmack von Mandeln und er geriet ins Schwärmen über die vielfältigen Vorzüge dieser Tropenfrucht. Das Kokoswasser sei „unfassbar erfrischend“ und man könne das Fruchtfleisch trocknen und dann als Beilage zu Fisch wie Brot essen oder frisch zu Mus reiben und mit Wasser mischen – dann wäre der Geschmack wie Ziegenmilch. Als die Eingeborenen sahen, mit welchem Enthusiasmus ihre europäischen Besucher die Kokosnüsse verzehrten, brachten sie große Mengen davon als Proviant. Jedenfalls erholten sich Magellans Männer sehr schnell von den Strapazen der langen Pazifik-Überfahrt.

Nach acht Tagen der „Kokosnuss-Kur“ im Paradies brachen sie wieder auf, segeln durch das philippinische Insel-Labyrinth und erreichten am 28. März 1521 die Insel Limasawa (Pigafetta nennt sie „Mazana“). Dort gab es eine Überraschung. Ein Sklave von Magellan, der ursprünglich aus Sumatra stammte, begann mit den Eingeborenen zu sprechen – und sie verstanden ihn!

Der Herrscher dieser heute philippinischen Insel empfing die Europäer sehr freundlich, es folgte der übliche Austausch von Gastgeschenken. Die Eingeborenen brachten Magellan große Mengen an Lebensmitteln, vor allem Reis, Fische wie Doraden, Gemüse und natürlich Kokosnüsse. Jahrzehnte später, nachdem die Spanier die Philippinen ihrem Imperium einverleibt hatten, werden sie Kokosnuss-Palmen als Setzlinge nach Mexiko und in die Karibik bringen und dort Plantagen anlegen.

Pigafetta beschreibt ausgedehnte Festessen, an denen Einheimische und Entdecker gemeinsam teilnehmen. Dann lud der Herrscher der Insel am Karfreitag eine kleine Gruppe der Fremden zu einem Gastmahl, das die halbe Nacht dauerte. Daran nahm Pigafetta teil, der in seinem Tagebuch als braver Katholik beichtete: „Ich musste Fleisch essen an einem Karfreitag – aber was konnte ich machen?“ Er berichtet von riesigen Tabletts voller Schweinefleisch und Fisch, die zusammen mit Palmwein serviert wurden. Während dieses Banketts lernten sie den König der Nachbarinsel kennen, der die exotischen Besucher zu sich einladen wird.

Wie die Philippinen an einem Tag katholisch wurden

Weil man ihm den guten Hafen dort empfohlen hatte, entschied Magellan, Kurs auf Cebu zu nehmen – „und so folgte er seinem traurigen Schicksal“ (wie Pigafetta kommentiert).  Am Sonntag, dem 15. April 1521 landeten die Entdecker auf der Insel Cebu (Pigafetta nennt sie „Zubu“). Zur Begrüßung befahl Magellan, ein paar Salutschüsse abzufeuern und erklärte dann den verängstigten Bewohnern, dass „diese Waffen süß für seine Freunde und nur rauh gegen seine Feinde seien“.  Magellan ließ durch seinen Sklaven als Dolmetscher ausrichten, dass Karl, Spaniens König und Kaiser aller Christen, ihn geschickt habe, um Handel zu vereinbaren und Frieden zu bringen. Dann präsentierte der Kapitän im Schnelldurchlauf die christliche Religion und versprach Cebus Herrscher Humabón, wenn er sich zum Christentum bekehre, könnte er seine Feinde leicht zerschmettern. Das hörte Humabón gern, zumal Magellan ihm auch zusicherte, mit seinen Kanonen jeden seiner Nachbarn zu attackieren, der ihm keinen Respekt erweist. Daraufhin hob Humabón die Hände zum Himmel und beteuerte, von nun an Christ zu sein. Er wurde getauft auf den Namen „Don Carlos“ – nach dem spanischen König und Kaiser. So einfach war das damals. Der Königin von Cebu schenkte Magellan vor der Messfeier die Statuette eines Jesuskindes, worauf diese angeblich spontan unter Tränen darum bat, auch sofort zum christlichen Glauben konvertieren zu dürfen (Pigafetta: „pidió el bautismo con lágrimas…“) und sich auf den Namen „Juana“ (nach der Mutter des Kaisers) taufen ließ.

Seitdem ist das Niño Jesús der absolute Star auf den Philippinen (siehe Caiman-Artikel 01/2008: Spanische Spuren in Manila) und beherrscht  Häuser, Autos und so ziemlich alles auf den Philippinen in unzähligen Versionen, bevorzugt aber sehr bunt und mit tropischem Lächeln. Pigafetta berichtet, dass sich an diesem Tag 800 Eingeborene mit der Königin taufen ließen. Ob sie auch nur annähernd verstanden, worum es dabei ging, ist nicht überliefert. Jedenfalls erwähnt Pigafetta das interessante Detail, dass sie ihren Gott „Abba“ nennen („…que a su Dios le llamaban Abba…“). Während dieses riesigen Happenings ließen sich einige Herrscher von Nachbarinseln mit Hunderten aus ihrem Gefolge gleich mit taufen und über der Hafeneinfahrt von Cebu wurde ein großes Kreuz aufgestellt.

Pigafetta berichtet auch, dass der Herrscher mit Magellan das Ritual der Blutsbruderschaft vollzieht. Magellan präsentierte Humabón einen prunkvollen Sessel mit rotem Samt: Er solle ihn als Thron benutzen. Und der König von Cebu überreichte dem Kapitän riesige Gold-Ohrringe und goldene Armreifen (die Magellan allerdings nie tragen wird). Doch bald war Schluss mit der Harmonie.

Magellans fatale Entscheidung und sein Tod in Mactan

Am Freitag, dem 26. April, erschien eine Gesandtschaft von der Nachbarinsel Mactán, um zu verkünden, dass Lapulapu, der Herrscher dieser kleinen Insel weder Humabón noch den König von Spanien anerkennt, sondern bereit sei zum Kampf gegen sie. Magellan entschloss sich spontan, noch in der Nacht des 27. April 1521 eine Strafexpedition gegen den rebellischen Lapulapu anzuführen, obwohl ihm seine Männer davon abraten. Magellan bricht noch in derselben Nacht mit 60 seiner Leute und mit Humabón und ein paar Dutzend seiner Krieger nach Mactán auf, wo sie vor Morgengrauen ankommen. Die Bucht dort ist sehr flach, so dass ihr Schiff in einiger Entfernung bleiben musste und Magellan mit seinen Angreifern lange bis zur Hüfte im Wasser waten mussten. Magellan ließ Lapulapu ausrichten, wenn er Kaiser Karl als seinen neuen Herrn anerkennt und Tribute an den jetzt christlichen König Humabón bezahlt, würde man ihre Insel verschonen. Die Antwort auf dieses „großzügige“ Angebot ist ein Pfeilhagel. Wütend befahl Magellan, die Hütten des Dorfes an der Bucht von Mactan in Brand zu setzen. Doch man hatte Überzahl und Entschlossenheit von Lapulapus Kämpfern unterschätzt (Pigafetta nennt die Zahl von 1500). Die Kanonen nützten Magellan nichts, weil das Schiff zu weit entfernt vom Kampfplatz ankern musste. Plötzlich wurde Magellan von einem Giftpfeil am Bein getroffen. Er versuchte noch zu fliehen, aber Pigafetta beschreibt, wie eine ganze Horde gegnerischer Krieger ihn umringte und mit ihren Lanzen durchbohrte: „…nuestro guía inimitable cayó muerto“ („Unser unvergleichlicher Führer stürzte in den Tod“). Pigafetta und einigen anderen gelang es, verwundet und mit letzter Kraft das rettende Schiff zu erreichen. Einige Jahrzehnte wird kein Europäer mehr einen Fuß auf Lapulapus Insel Mactan setzen.

Siargao
Siargao

Und die Weltumsegelungs-Crew hatte in der Tat ihren Führer verloren – und dieser sein Leben, weil er leichtsinnig ein völlig überflüssiges Wagnis einging. Dies bleibt vielleicht das größte Rätsel dieser ersten Weltumsegelung:

  • Was motivierte Magellan zu dieser krassen Fehlentscheidung?
  • Warum handelte er gegen den königlichen Befehl Karls V., der ausdrücklich eine Handelsexpedition zum Warenaustausch und Gewürzkauf vorschrieb und militärische Expeditionen verbot?

Bis dahin hatte er viel erreicht. Es war ihm gelungen, die Passage zwischen Atlantik und Pazifik zu finden und den größten Teil der kleinen Flotte sicher nach Asien zu bringen. Auf den philippinischen Inseln konnte er erfolgreich den Tauschhandel mit Eingeborenen etablieren und hatte an einem Tag Dutzende von Insel-Herrschern zur Bekehrung zum Christentum und zur – aus seiner Sicht – formalen Anerkennung der Oberherrschaft Karls V. bewegen können. Der nächste Schritt, um seine Mission erfolgreich abzuschließen, wäre gewesen, den schnellstem Weg zu den Molukken zu finden, um dort eine maximale Menge an Gewürzen einzukaufen. Stattdessen ließ er sich in einen lokalen Insel-Krieg und ein absurdes Scharmützel im Morgengrauen verwickeln – mit maximal desaströsem Ausgang. Da keine Stellungnahme überliefert ist und auch der Chronist sich darüber ausschweigt, kann über die Motivation Magellans, die ihn zum Angriff auf Mactan brachte, nur spekuliert werden. Vielleicht wollte er Zweifel an der Überlegenheit der Gesandten des Kaisers aus dem fernen Europa im Keim ersticken. Vielleicht wollte er erreichen, das sich ihm noch mehr lokale Herrscher anschließen, wenn sie sehen, wie er den Verbündeten Humabón gegen einen Rebellen unterstützt. Jedenfalls hatte der militärische Angriff auf Mactan nichts mit seinem Auftrag zu tun, die Gewürzinseln zu finden. Und weil Magellan am 27.4.1521 auf Mactan starb, kann fortan auch nicht mehr von Magellans Weltumsegelung die Rede sein. Er hatte sie geplant und bis zu diesem Tag auch erfolgreich geführt, aber eben nicht vollendet.

Ironischer Epilog: heute befinden sich an der Hafenbucht der Insel Mactan zwei Monumente, nur wenige Meter voneinander entfernt: ein Denkmal für Magellan, der durch den endlosen Pazifik den Weg nach Cebu gefunden hatte und dort an einem sonnigen Sonntag im April mit einem kleinen Jesuskind dafür sorgte, dass die Philippinen zum einzigen katholischen Land in Asien wurden; und ein Monument für Lalulapu, der sich als unerschrockener Freiheitskämpfer den arroganten europäischen Eindringlingen erfolgreich entgegen stellte. Am Ende haben es wahrscheinlich beide irgendwie verdient.

Text: Berthold Volberg

 


Demnächst in caiman.de:
Teil 3: Quittengelee rettet Elcano und die Weltumseglung

Bereits erschienen:
Teil 1: Elcanos Weltumsegelung vor 500 Jahren

Tipps und Links:

  • „El Viaje más largo – La Primera Vuelta al Mundo“
    Ausstellungskatalog anlässlich des 500-jährigen Jubiläums herausgegeben von Prof. Braulio Vázquez Campo/ Prof. Alma Guerra, Spanisches Kulturministerium 2019
  • Antonio Pigafetta: „Primer Viaje entorno al Globo“, spanische Übersetzung, Madrid 1922
  • Digitale Version: https://archive.org/details/primerviajeentor00piga
  • Für die meisten Originaldokumente (Briefe, Verträge, Testamente, etc.):
    Archivo General de Indias, Sevilla

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