Selten habe ich so lebhafte Gebete gehört. „Oración“, das dritte Album des uruguayischen Schlagzeugers und Percussionisten Guillermo McGill, hat nichts mit esoterischer Entspannungsmusik zu tun, sondern überzeugt durch seine musikalische Klarheit und Kraft, sowohl in den andächtigen Momenten als auch während der Improvisationen. Zu seinen Begleitern der letzten CD – dem britischen Saxophonisten Julián Argüelles, dem portugiesischen Pianisten Bernardo Sassetti sowie dem deutschen Bassisten Tjitze Vogel, gesellt sich das Sopransaxophon des Miles-Davis-Begleiters Dave Liebman.

Guillermo McGill
Oración
Nuba/Karonte 7781

Und so erinnern manche Passagen von z.B. „Leonardo“ auch an „Bitches Brew“. Einmal scheint auch ein wenig Flamenco durch, ein Erbe aus McGills Jahren als Begleiter des Pianisten Chano Domínguez – vielleicht auch weil McGill gerade auch einen DVD-Kurs zum Thema „cajón flamenco“ herausgegeben hat.

McGill, der im Alter von 19 Jahren nach Spanien kam, ist ein spiritueller Mensch und versucht, diese Spiritualität in all sein Tun einfließen zu lassen. Über seine Kompositionen möchte er die Menschen an Themen heranführen, die man gemeinhin nicht mit Musik / Jazz in Verbindung bringen würde: die Philosophie von María Zambrano oder, wie in diesem Fall, die lateinamerikanische „Theologie der Befreiung“. Sein soziales Gewissen trieb ihn, der nicht getauft ist, dazu an und nicht etwa religiöser Fanatismus. Er bewundert Theologen wie Leonardo Boff oder Luis Peréz Aguirre, die sich der Nächstenliebe verpflichtet fühlen und dafür nicht einmal die Konfrontation mit dem Vatikan scheuen – bis hin zum Lehrverbot. McGill glaubt wie sie an das Prinzip der Gleichheit in allen gesellschaftlichen Zusammenhängen, sei es in einem Jazzquintett oder in einem Staat. Sieben Titel auf „Oración“ sind den Theologen gewidmet. Mir fällt es schwer, die Verbindung zwischen ihren Gedanken und der Musik herzustellen (obwohl auch die „Theologie der Befreiung“ in ihrem dauernden Kampf um Gerechtigkeit ja keine ruhige Angelegenheit war). Aber McGill hat sein „gesellschaftliches“ Ziel erreicht: Anhand der Texte über die Theologen (alle auf Spanisch) setzt man sich mit ihren Gedanken und der Welt, die sie verändern wollen, auseinander. Und das, während man diesen wunderbaren Klängen lauschen darf.

 

Wäre Juan Llossas ( geboren 1900) nicht als Jugendlicher von zuhause ausgerissen und als Blinder Passagier nach Südamerika gelangt, so hätten unsere Großeltern nicht zu Hits wie „O Fräulein Grete“, „Samba Caramba“ oder „Tango Mio“ schwofen können. Der in Barcelona geborene Bigbandleader hatte keine Lust Kaufmann zu werden, lieber schon Musiker. Er lernte die verschiedenen lateinamerikanischen Rhythmen kennen und lieben, vor allem den Tango.

Juan Llossas
J. L. und sein Tango Orchester
Membran Music

Zurück in Europa studierte er in Darmstadt Musik und ging von dort nach Berlin. Llossas schrieb erste eigene Tangos und gründete 1925 ein Orchester. Auch Dank der allgemeinen Beliebtheit lateinamerikanischer Musik in den 20er und 30er Jahren wurde er schnell zum „Tangokönig aus Barcelona“.

Wobei das mit dem Tango nicht zu eng gesehen werden darf, das Orchester spielte auch Sambas, Rumbas oder was sonst gut ankam. Llossas Karriere setzte sich während des Krieges und danach beim britischen Militärsender BFN fort, bis er 1957 überraschend starb. Auf dieser Compilation finden sich in entsprechender Tonqualität Aufnahmen aus den Jahren 1930-1944; neben zuvor genannten Hits aus Llossas Feder auch international bekannte Titel wie „El Cumbanchero“ und „Managua, Nicaragua“. Besonders amüsant: „Zwei rote Lippen und ein roter Tarragona“ und „Nachts am Kongo“.

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