Vom Winde verweht

Ich liebe die Caatinga-Landschaft! Die sandige, trockene Erde in ihren Ockertönen, der fast immer strahlend blaue Himmel, die kargen, ausgedörrten Pflanzen, die intensive Sonne, die trotz ihrer Kraft doch niemals unangenehm wird, die lauen Lüftchen, die über die Ebenen ziehen. Und die spektakulären Sonnenaufgänge, die alles mit einem blauen Schimmer überziehen.

Ich liebe es einfach, stundenlang über die Landstraßen zu fahren ohne jemanden entlang des Weges zu sehen. Die Caatinga ist einsam: außer einigen mageren Ziegen sieht man fast keine Tiere. Wie hier auf dem Weg zwischen Juazeiro, der Stadt am São Francisco Fluss, und Sobradinho, dem kleinen Städtchen am Rande des vor 30 Jahren errichteten Dammes, an dem der Fluss zum zweitgrößten Wasserreservoir der Welt gestaut wird.

Doch der Weg zwischen Himmel und Hölle ist bekanntlich kurz. Gerade noch überwältigt von der spektakulären Natur, bin ich plötzlich mitten in einer Wüste aus Müll. Links und rechts der Straße abgekippt, wird er vom Wind über die Landschaft zerstreut. Bäume und Kakteen voll Plastiktüten, soweit das Auge reicht. Ich halte an, um den Irrsinn zu fotografieren.

Ein einsamer Mensch durchsucht den Müll nach verwertbaren Resten; als er mich sieht, zieht er von dannen. Von der anderen Straßenseite steigen plötzlich Rauchwolken auf, man fackelt den Müll gleich zusammen mit der staubtrockenen Vegetation ab. Der Rauch wird immer dichter und das Atmen bereitet Schwierigkeiten.

Von irgendwo aus der Rauchwolke her dringt ein schrilles Bremsgeräusch. Als ich mich umdrehe, sehe ich zuerst ein Pferd, das mitten auf der Straße steht. Und dann einen Jeep, der in hoher Geschwindigkeit auf das Tier zu rast, im letzten Moment von der Straße abkommt und in meine Richtung schießt. Ich mache einen Satz nach vorne und der Wagen zischt zwischen mir und meinem am Straßenrand geparkten Wagen hindurch.

Wenige Meter weiter kommt er zum Stehen. „Hast Du gesehen – das Pferd war auf einmal mitten auf der Straße…“, der Fahrer überprüft sein Gefährt. „Der Ventilator vorne am Motor scheint was abbekommen zu haben“, meint er. „Trotzdem Glück gehabt“, sagt er zu mir. Ich nicke.

Wir stehen in einer ätzenden Rauchwolke, umgeben von einem Meer aus buntem Müll, im Nirgendwo. Ja, meint er, der Anblick wäre traurig. Die Leute der umliegenden Städtchen würden ihren Müll einfach hier abkippen. Das wäre schon immer so gewesen. Er zieht seines Weges, ich meines. Das Pferd trottet gemütlich dahin, hinein in den Müll. Was es wohl sucht?