Traumhafte Duette

Die kubanische Pianistin Marialy Pacheco, die „größte unter den jungen Pianotalenten“ wie Chucho Valdès sie lobte, hat sich auf ihrem neuen Album ein paar Träume erfüllt. Und: Sie ist nun deutsche Staatsbürgerin.

Wie hast Du Dir deine Duett-Partner ausgesucht?
Begonnen hat alles damit, dass Eva Bauer mich fragte, ob ich nicht noch eine Platte machen wolle. Dann habe ich mit meinem Manager Klaus [Wingensiefen] überlegt, was ich machen könne, und da ich zuvor schon solo und im Trio Alben aufgenommen hatte, kamen wir auf Duette. Ich habe dann eine Liste von meinen Lieblingsmusikern erstellt, Musiker mit denen ich schon lange zusammen spielen wollte. Da standen Pat Metheny, Mariza, Avishai Cohen, Michel Camilo u.a. drauf, eine „Traumliste“ eben. Wir haben alle angeschrieben und Miguel Zenón, Hamilton de Holanda, Omar Sosa und Max Mutzke haben spontan zugesagt, andere hatten keine Zeit, und manche haben nicht geantwortet. Bei Michel Camilo hat sein Label einer Zusammenarbeit nicht zugestimmt.

Mit Omar Sosa geht es los…
Ich wollte unbedingt mit einem Pianisten – oder zwei – Titel einspielen. Mit Omar bestand bereits Kontakt, einmal weil er mir zu meiner Platte „Introducing…“ gratuliert hatte und zum anderen weil er meine Tante auf Kuba kennt. Sie ist auch Musikerin und ich hatte ihm bei einem Konzert Grüße von ihr bestellt. Als er das Konzept von „Duets“ gelesen hat, war er sofort dabei. Sowohl er wie ich haben zum ersten Mal mit einem anderen Pianisten etwas eingespielt. Aber obwohl wir unterschiedliche Spielweisen haben, gibt es sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen uns. Das hört man besonders gut auf dem Bonustrack. Das war eine Probe, von der wir nicht wussten, dass der Techniker sie mitschneidet. Wir kamen rein, ich habe mich an meinen Bösendorfer gesetzt, Omar an einen Steinway und dann haben wir angefangen. Der reguläre Titel auf der CD ist von Omar. Er ist ein sehr spiritueller Mensch und so ist auch sein Stück, wunderbar tief und spirituell.

Erlebt man Duette mit zwei Pianos so selten, weil dort die Gefahr der Konkurrenz größer ist?
Vielleicht, aber bei uns war das kein Problem. Wir sind uns da sehr ähnlich: es geht nicht um Konkurrenz, sondern um den Dialog. Das ist übrigens auch meine Herangehensweise bei den anderen Duetten. Bei mir geht es immer nur um die Musik. Ich denke, als Profi muss man irgendwann an einen Punkt kommen, wo es nicht mehr wichtig ist, sich profilieren zu müssen.

Haben alle Duett-Partner Stücke mitgebracht?
Bei der Auswahl der Musiker war mir wichtig, dass sie eine starke musikalische Identität haben, dass man sie mit geschlossenen Augen nur am Klang erkennt. Also musste ich Stücke aussuchen, die das unterstreichen. Von Hamilton habe ich viele Platten durchgehört und dachte bei „Capricho do sul“, dass es sich gut auf Klavier übertragen lässt, denn das ist nicht so einfach von der Mandoline her, bei der alles nah zusammen liegt. Außerdem gibt es harmonisch Platz für Improvisation, das war mir wichtig, und es ist rhythmisch, denn wir haben ja sonst keine Begleitung.

Bei Miguel und seinem Klang dachte ich direkt an „La comparsa“ von Ernesto Lecuona und konnte mir die Melodie schon auf dem Saxophon vorstellen. Ich kriege immer noch eine Gänsehaut, wenn ich höre, wie er beginnt zu spielen. Wir haben zwei takes gebraucht, fertig, auch weil ich wusste, dass er sich mit dem Stück identifizieren konnte. Kuba und Puerto Rico liegen ja nicht so weit auseinander.

Max habe ich auf einem Festival getroffen und wollte unbedingt etwas mit ihm aufnehmen. Das Stück von ihm ist auf seiner Platte sehr poppig, aber ich dachte direkt daran, daraus eine Jazzballade zu machen. Max erzählte dann, dass er diesen Song bisher nie live gesungen habe, aber es mit meinem Arrangement gerne machen würde.

Mit Rhani spiele ich momentan ohnehin in einem Duo-Projekt. „Burundanga“ ist ein Arrangement, das ich zunächst für mein Trio geschrieben habe. Der Titel ist perfekt für Rhani. Da kann er alles zeigen, es gibt ruhige Passagen, aber eben auch den groovigen Mittelteil.

Joo wiederum arbeitet sehr viel mit Effekten bei seiner Trompete. Darum habe ich meinen Titel „Metro“ ausgewählt, der dadurch spaciger wird, und in dem es um den Traum von einer U-Bahn in Havanna geht.

Bei der Auswahl aller Titel habe ich mich immer an der Persönlichkeit der „Jungs“ orientiert.

Warst Du nochmal in Havanna?
Vergangenes Jahr habe ich ein Privatkonzert für den Deutschen Botschafter dort gegeben, zusammen mit meinem Bruder, der auch Pianist ist. Danach spielten wir noch ein Konzert im Theater Bellas Artes.

Und wann wird Havanna eine Metro haben?
Niemals (lacht!).

Dann passt der Science-Fiction-Sound von Joo Kraus ja gut…
Ja, genau, das ist Science Fiction…

Wie kamst Du auf die Idee, mit Dir selbst im Duett zu spielen?
Das ist Klaus schuld. Es sagte, wenn ich mit anderen spiele, dann solle ich doch auch mit mir im Duett spielen. Ich war überrascht, aber fand die Idee dann cool. Und dann habe ich mir noch einen Titel von Lecuona ausgesucht und ihn für zwei Flügel arrangiert. Der Studiotechniker war verwirrt als ich erst den einen und dann den anderen Part aufnahm. Dann habe ich das gleiche mit dem mexikanischen Volkslied „La bikina“ gemacht. Und mit dem „Imperial“ klingt das wie ein Orchester. Er hat ja fünf schwarz gemalte Extra-Tasten mit tiefen Tönen, die den Resonanzkörper vergrößern. Spielen tut man sie normalerweise nicht, aber der Klang ist trotzdem wahnsinnig.

Wenn ich die international bekannten Jazzpianisten aus Kuba aufzähle, ist nur eine Frau dabei: Du! Wie kommt das?
Das ist richtig, einerseits cool, andererseits werde ich manchmal nicht so ernst genommen wie die Männer. Ich muss immer ein wenig mehr kämpfen, denn 1. bin ich Latina, da kommen dann schon viele Klischees hoch und 2. eine hübsche Frau, darum denken viele ich müsste auch singen… die Frage danach hasse ich am meisten, zumal ich keine schöne Singstimme habe. Und Musik sollte nichts mit dem Aussehen zu tun haben. Für mich geht es immer nur um Qualität, egal ob Frau oder Mann. Aber nach meinem Konzert ist das dann auch klar.

Das gute kubanische Musikerziehungssystem durchlaufen ja auch viele Frauen, zumindest habe ich am Konservatorium in Havanna viele gesehen. Wo bleiben die danach?
Für den Jazz kann ich sagen, dass der Weg dorthin hart ist. Denn wir werden ja klassisch ausgebildet und wenn du Jazz spielen willst, musst du dir das selbst beibringen: von Platten, auf der „Straße“ etc. Ich wollte das unbedingt, aber das halten Frauen vielleicht nicht so gut durch. Und auch in den populären Salsa-Bands, wo man etwas anderes lernen könnte, werden i.d.R. als Musiker nur Männer engagiert, die Frauen dürfen singen. Und dann kommt noch das überall gleiche Problem hinzu: Frauen wollen evtl. Familie haben und das kollidiert dann mit einer Musikerkarriere.

Marialy Pacheco
Duets
Neuklang 2017

Cover: amazon