Surfin Peru – kubanische Klaviere (06/2005)

Die monatliche Kolumne zu Musik aus Lateinamerika, der Karibik, Spanien und Portugal. Hier findet ihr Folklore, Latinjazz, Rock und Elektroakustik neben Speedmetal, Funk und Kammermusik. Ob Tango, Kaseko, Guajira, Flamenco, Fado, Axé, Punta oder die Mischung aus allem, hier kommt es auf den Prüfstand. Vorgehört und serviert von Torsten Eßer.

Diverse
Back to Peru. Peruvian underground
Vampi Soul

Los Belkings
Instrumental waves (1966-1973)
Nuevos Medios/ sunny moon

Surfin Peru
Mädchen, die sich ihre Seele aus dem Leib schreien und vor der Bühne in Ohnmacht fallen. Szenen, die sich in den 60er Jahren regelmäßig bei Konzerten der Beatles oder Stones abspielten. Auf den Konzerten der Los Mutables, Los 007 oder von Pina y sus Estrellas ging es wahrscheinlich ähnlich zu, auch wenn das Coverphoto von „Back to Peru“ eher Kinobesucher zu zeigen scheint. Bei „Abrazame Baby“ flogen dem Sänger die Herzen zu (oder die Höschen), zum Groove von „Funky man“ wurde abgetanzt und bei den psychedelischen Klängen von „Meshkalina“ schoß man sich – nach Genuss desselben – in höhere Sphären.

Ob The Monkees, frühe Deep Purple, Jimi Hendrix oder Beach Boys, hier finden sich alle Strömungen des angloamerikanischen Rock wieder. In Peru gab es all das natürlich nur auf Sparflamme. Trotzdem bietet diese Compilation einen super Einblick und viel Spaß und ist ein unerlässliches Zeitzeugnis für die Geschichte der lateinamerikanischen Rockmusik.

Eine gute Ergänzung und ein ebenso wichtiges Zeitdokument ist das Album der Los Belkings. Die Coverphotos weisen schon darauf hin, dass es hier um coolen Surfsound geht. 25 Instrumentalstücke im Still der The Shadows oder der The Ventures, mit Einflüssen von Booker T & MG’s und später auch des Jazz. Erstaunlich und erfreulich: Es gibt nur wenige Coverversionen angloamerikanischer Stücke. Musik für den CD-Player im Auto auf dem Weg zum Strand.

Ramón Valle
No escape
ACT/ Edel Contraire

Omar Sosa
A new life
SKP/ Edel Contraire

Kubanische Klaviere
Im Gegensatz zum „Vater“ der kubanischen Jazzpianisten, Chucho Valdés, spielt Ramón Valle keinen Latin Jazz. Trotzdem kann und will der seit 1998 in Amsterdam lebende Pianist seine Wurzeln nicht verleugnen. Und so klingen zwischen seinem technisch brillanten Spiel á la Jarrett und Hancock immer mal wieder kubanische Rhythmen durch, unterstützt von Schlagzeuger Liber Torriente und Bassist Omar Rodríguez Calvo, beide ebenfalls aus Kuba. Schnell und swingend ist die beste Charakterisierung für die meisten Stücke auf „No Escape“. Und wenn ein Albtraum so leicht und beschwingt wäre wie „Pesadilla“ klingt, wünschte ich mir öfter einen herbei.

Lonious Said sei Dank! Ohne den kleinen Sohn des kubanischen Pianisten Omar Sosa könnten wir dieser Musik nicht lauschen. Denn inspiriert wurde dieses Werk von dessen Geburt im vergangenen Jahr und all den Gefühlen, die in einem solchen Moment aufkommen: Liebe, Freude, Zweifel.

Über 70 Minuten läßt Sosa diesen Gefühlen auf seinem dritten Soloalbum freien Lauf und improvisiert im Stile Keith Jarrett’s, mit dem er keinen Vergleich scheuen braucht.

Introvertierte Miniaturen stehen neben opulenten Balladen, scheinbar wirre Tonfolgen neben einfühlsamen Melodien. Ein unschätzbarer Vorteil vieler kubanischer Pianisten wird auch bei Sosa in einigen Stücken deutlich: Sie sind auch Perkussionisten und integrieren diese Erfahrungen sowie die vielfältigen kubanischen Rhythmen in ihr Spiel. Auf „A new life“ geschieht das jedoch nur selten so hörbar wie in „Crash de la tierra“ oder „Danzón de los indios“. Meist tauchen die Rhythmen nur kurz auf, um sofort wieder in der Improvisation zu verschwinden. In „Nacimiento“ improvisiert Sosa zu der Aufnahme von Lonious‘ Herzschlag und dessen ersten Schreien auf dieser Welt. Persönlicher kann Musik kaum sein.

Cover: amazon