Musik von dort (03/2014)

Der in Ecuador geborene Musiker und Tonmeister Daniel Orejuela betreibt das Label „Allá“ (http://www.musicadealla.com/), das unbekannten Künstlern aus Lateinamerika in Europa zum Erfolg verhelfen soll. Mit ihm sprach Torsten Esser.

Was hat Dich nach Deutschland verschlagen?
Ich wollte immer Tonmeister werden, und das konnte man 1994 in Ecuador nicht studieren; heute allerdings schon. In Quito habe ich 1993 als Assistent im größten Tonstudio der Stadt gearbeitet und war sehr interessiert an den technischen Geräten. Irgendwann bekam ich die Bedienungsanleitung einer Studer-Bandmaschine in die Hand. Auf Deutsch! Ich konnte kein Deutsch, habe sie aber trotzdem „gelesen“ und dachte mir, dass die Deutschen sehr viel Ahnung von Tontechnik zu haben scheinen, darum wollte ich hierhin. Zuerst habe ich in Köln an der Musikhochschule studiert und dann in Holland meinen Tonmeister gemacht. Seit 2005 lebe ich wieder in Köln und arbeite frei für den WDR.

Warum gründest Du im Digitalzeitalter noch ein analoges Label?
Im Jahr 2006 habe ich an der Produktion eines schönen Albums der Gruppe Latin Sampling, fünf Jungs aus Kolumbien, mitgewirkt. Und dann wollten wir ein Label finden und es klappte nicht. Aber weil ich dachte, dass solche Musik einen Platz auf dem Markt verdient, habe ich mein eigenes Label gegründet. Bei allen meinen Produktionen denke ich das, aber das Label ist nicht meine Hauptarbeit, als Tonmeister und Produzent betrachte ich es als „Schaufenster“ für die Produkte.

Wie kamst Du auf den Labelnamen „allá“?
Zunächst dachte ich an die Listen, auf denen Labels stehen, und die fangen halt ganz oben mit „A“ an, also musste es etwas mit „A“ sein. Im Gespräch mit einem Freund kamen wir dann auf „artistas latinos” und dann auf „artistas latinos luchando en Alemania“, aber letztendlich ist „allá“ tatsächlich Musik von „dort“. Denn ich arbeite ja fast nur mit Musikern aus Lateinamerika, also von „drüben“.

Wer finanziert die Produktionen?
Die meisten der Produktionen finanzieren die Künstler selbst, aber ich habe auch schon für Alben öffentliche Mittel organisiert, zum Beispiel vom Kulturministerium in Ecuador. Die wollen natürlich schon vorher etwas sehen, also war es gut, schon einige fertige CDs präsentieren zu können. Der Vertrieb funktioniert heute nur noch über das Internet, die Titel sind in rund 300 Shops erhältlich. Die CDs werden nur bei Konzerten verkauft.

Und wie wählst Du die Projekte aus?
Zunächst einmal muss ich eine Sache musikalisch interessant finden, das Label hat keine Richtung, die Musik muss einfach nur authentisch sein. Es sollten die ethnischen Wurzeln zu hören sein in der Musik. Ich habe mexikanische Jazzmusiker aufgenommen, Musik aus Kolumbien, gemischt mit Jazz, und auch folkloristische Musik aus Ecuador, aber kein pasillo o.ä., sondern Folklore, wie sie die jungen Leute von heute sehen und spielen. Es ist Musik, die etwas ist, nicht etwas sein will. Manchmal schicken mir Leute etwas, oft aber finde ich sie auch selbst. Pies en la tierra z.B., vier Musiker aus Ecuador, die eine Vorstellung von folkloristischer Musik haben, die ich faszinierend fand, habe ich auf dem Jazzfestival 2008 in Guayaquil gehört und sofort gedacht, dass ich das in Europa vorstellen möchte. Es ist Jazz, aber Jazz aus Ecuador, und das kann man im positiven Sinne hören. Darum haben wir das Album „Chungo“ aufgenommen.

Manchmal spielst du auch mit…
Ja, als Produzent begleite ich den kreativen Prozess meistens von Anfang an. Dann hakt es hier und dort und ich bringe mich ein. Bei Mariela Condo z.B. hatten wir schon einen Studiotermin, aber sie hatte zu einer schönen Melodie noch keinen Text, den habe ich dann geschrieben. Oder wenn ein Gitarrist fehlt, spiele ich schon mal mit. Ich habe auch schon Cover gestaltet, weil es zeitlich eng wurde, aber das war nie mein Ding… Jetzt arbeite ich mit einigen Künstlern aus Lateinamerika zusammen, die die Cover kreieren.

Existieren Unterschiede in der Produktion in Lateinamerika und Deutschland?
Na klar! In Deutschland ist die Technik besser, in Lateinamerika fehlt es manchmal an guten Mikrophonen o.ä., da muss man improvisieren. Aber das ist es nicht allein, es sind auch andere Dinge wichtig: In Deutschland fehlt oft die Zeit etwas noch mal zu überdenken, vor allem weil die Sachen hier insgesamt viel teurer sind, Studiomiete etc.

Nun erzähle mal etwas über einige der Künstler auf „Allá“!
Mariela Condo ist eine ecuadorianische Sängerin, die mir Melodien, Texte und Gedichte gemailt hat. Und irgendwann bin ich nach Ecuador geflogen und habe die Platte dort produziert. Für einige Lieder habe ich die Musik geschrieben, vom Klang her wollte ich etwas Neues ausprobieren, Folkloreinstrumente gemischt mit Cello, modernen Bläsern etc. Die Platte ist in Ecuador gut angekommen, sie wurde im Radio und Fernsehen vorgestellt.

Bei La Mala Maña handelt es sich um Salsa aus Ecuador, 13 Musiker, die ihre eigenen Stücke komponieren. Sie kommen aus Quito und touren in vielen Ländern. Als Produzent war es eine schöne Arbeit, denn ich konnte viele meiner Ideen zur Musik beisteuern. Viele denken ja, dass alles am PC machbar ist, aber das stimmt nicht. Um beeindruckende Musik zu gestalten, sind viele „analoge“ Korrekturen nötig.

Filip Bulatovic ist einer der wenigen Nicht-Lateinamerikaner bisher auf „Allá“. Diese Platte wurde im Bechstein-Centrum in Köln aufgenommen, wo wir mit einigen Pianisten eine Konzertreihe veranstaltet haben. Und da fiel mir auf, wie gut der Klang dort ist und dann haben wir die Platte gemacht. Was man hört ist live, und darum ehrlich. Vielleicht gibt es ein paar falsche Töne, aber das macht nichts. Echtheit ist wichtiger als Perfektion. Und bald erscheinen auf „Allá“ zwei neue CDs mit Musikern aus Puerto Rico bzw. Kolumbien, die im weitesten Sinne Latin-Jazz präsentieren.

Allá-Produktionen (Auswahl):
Mariela Condo – Vengo a ver (2013)
La Mala Maña – Manual de urbanidad y buenas costumbres (2012)
Marco Antonio Sanchez – Lo que trajo el barco (2010)
Pies en la Tierra – Shungo (2010)
Taurinta – Susitikimai (2010)
Filip Bulatovic – Live at Bechstein-Centrum (2009)
Latin Sampling – Secrets (2007)