Durch Lucmabamba schallt das Rattern handbetriebener Kaffeeschälmaschinen. Es ist Erntezeit und weil alle Bewohner Lucmabambas Kaffeebauern sind, herrscht in dem andinen Dörfchen Hochbetrieb. Auf den Feldern pflücken Männer und Frauen die reifen Kaffeekirschen von den Sträuchern und schälen sie anschließend auf ihren Bauernhöfen mit einfachen Maschinen. In jeder Kirsche befinden sich zwei Kaffeebohnen, die 14 Stunden fermentiert und dann zum Trocknen in der Sonne ausgelegt werden. So verwandeln sie sich innerhalb von vier Tagen zu Pergamentkaffee und damit einer wichtigen Ware.
Kaffee wird als Rohstoff an der New Yorker Börse gehandelt und ist Gegenstand ständiger Börsenspekulationen. Allerdings sind Kleinbauern in abgelegenen Weilern wie Lucmabamba von dieser Geschäftemacherei ausgeschlossen. Mangels Alternative verkaufen die meisten kleinen Produzenten ihren Pergamentkaffee an Zwischenhändler, die in der Erntezeit durch die Dörfer ziehen. Weil viele Kleinbauern über eine nur unzureichende Schulbildung verfügen und ihnen die aktuellen Börsenkurse nicht bekannt sind, werden sie von den Zwischenhändlern immer wieder übervorteilt. Die Produzenten erhalten so wenig Geld für ihre Ernte, dass sie davon kaum leben können.
Bei Enrique Álvarez Davalos ist das anders, denn er ist Mitglied der Kooperative Huadquiña, die zum Kooperativen-Zusammenschluss COCLA gehört. „Bei COCLA sind 8.000 Kleinbauern vereint und wir haben gemeinsam schon viel erreicht! Beispielsweise hat IMO (Institut für Marktökologie) unseren Kaffee biozertifiziert und wir verkaufen den Großteil unserer Ernte über den Fairen Handel. Der garantiert einen angemessenen Mindestpreis und langfristige Handelsbeziehungen. Außerdem erhalten wir eine zusätzliche Prämie für Gemeinschaftsprojekte“ erzählt Enrique begeistert.
Trotz Fairen Handels lebt Enrique mit seiner sechsköpfigen Familie in bescheidenen Verhältnissen. Aus Mangel an elektrischen Haushaltshelfern muss seine Ehefrau Teofila die Wäsche von Hand waschen und das Essen in ihrer einfache Küche über dem offenen Feuer zubereiten. Nachrichten kommen aus einem winzigen Transistorradio, weil es weder Fernseher noch Internetzugang gibt. „Wir haben hier nicht viel Luxus, aber unsere Lebenssituation hat sich in den letzten Jahren verbessert“, berichtet Enrique zufrieden. Mit der Fair-Handels-Prämie hat COCLA beispielsweise Gesundheitskomitees gebildet, die nun in arztlosen Gemeinden wie Lucmabamba medizinische Nothilfe leisten. Außerdem haben die Familien gelernt, ihre Höfe sauber zu halten, um so Krankheiten zu vermeiden. Mit dem Zusatzgeld führt COCLA auch Schulungen durch, in denen die Kaffeebauern lernen, wie man Sprösslinge züchtet, gegen Plagen effektiv angeht und organischen Dünger selbst herstellt. Weiterhin kümmert sich die Kooperative um das Transportwesen, weil es vom Pergamentkaffee bis zum exportfertigen Produkt noch ein weiter Weg ist.
Kooperativeneigene LKWs bringen den Pergamentkaffee aus den Dörfern zum COCLA-Hauptsitz in Quillabamba. Mit riesigen Maschinen werden hier die Kaffeebohnen aus der Pergamenthaut herausgelöst, gereinigt und nach Größe sortiert. So entsteht Rohkaffee, den COCLA exportiert. In den Bestimmungsländern rösten und verpacken die Handelspartner die Bohnen, wo man sie dann ganz oder gemahlen fair gehandelt in Weltläden, Bioläden, Drogerien und Supermärkten kaufen kann.
Weil die 8.000 Mitglieder COCLAs in weit verstreuten Weilern ihren Kaffee anbauen, gibt es Geschmacksunterschiede. German Serrano Escobar ist ein Kaffeesommelier und führt bei COCLA Qualitätskontrollen durch. „Den Kaffeegeschmack beeinflussen Anbauhöhe, Bodenbeschaffenheit, Klima und Sorte, wobei unsere Bauern fast ausschließlich hochwertigen Arabica-Kaffee anbauen. Ihren Kaffee beurteile ich im Hinblick auf Geruch, Geschmack, Säure, Körper und Balance. Das geschieht bei einer Kaffeeverkostung in unterschiedlichen Phasen“, doziert German. Vor ihm stehen mehrere Kaffeeproben. Er riecht zunächst den frisch gemahlenen und dann den aufgebrühten Kaffee, bevor er ihn schlürft, langsam im Mund hin und her bewegt und dann wieder ausspuckt. Begriffe wie blumig, karamellig und fruchtig fallen. Punkte werden vergeben, wobei Germans Gesamturteil positiv ausfällt. Es ist auch eine Probe der Kooperative Huadquiña dabei, der Enrique angehört. Der Bio-Kaffee aus Lucmabamba hat einen nussig-schokoladigen Geschmack gepaart mit milder Säure. Er wird in 2000 Meter Höhe angebaut und weist damit exzellente Hochlandqualität auf. Ob als Filterkaffee, Cappuccino oder Espresso verspricht er höchsten Kaffeegenuss. Und dank des Fairen Handels kann man beim Genießen Armut reduzieren.
Fotos: Dr. Jutta Ulmer + Dr. Michael Wolfsteiner