Ein Besuch im Museo de América in Madrid

Die Metro-Linien 3 und 7 führen uns zur Haltestelle Moncloa beziehungsweise Islas Filipinas nahe dem Universitätscampus von Madrid. Ziel ist das Museo de América. Von außen erinnert uns der Bau an eine der vielen amerikanischen Kirchen im Kolonialbarock. Innen vermittelt er eine lebendige Vorstellung der bedeutendsten Kulturen Amerikas; von den ersten Spuren der Besiedelung dieses Kontinents bis zur Machtübergabe des spanischen Imperiums an die Oligarchie der Kreolen.

Die ständige Ausstellung ist in fünf Bereiche gegliedert, die auf zwei Stockwerken verteilt sind:

Bereich I:
Los Instrumentos del Conocimiento (Die Instrumente der Erkenntnis)

Hier erwartet den Besucher eine repräsentative Auswahl an Textpassagen aus Augenzeugenberichten und Chroniken, die abwechselnd mit gesammelten Gegenständen ausgestellt werden. Sie bilden die Puzzlestücke, aus denen sich das Bild Amerikas in Europa langsam zusammensetzte. Harpunen, Angeln, Kleidungsstücke, Jagdwaffen, Masken und Federhauben sowie andere Schmuckstücke und Gebrauchsgegenstände von den nordamerikanischen Apachen und Tlingit bis zu den Amazonasindianern und Araukanern in Südamerika illustrieren die Vielfalt und Kreativität der amerikanischen Ureinwohner.

Besonders beeindruckend ist jener Saal, in dem die Entwicklung der kartographischen Darstellung Amerikas seit der „Entdeckung“ durch Kolumbus bis zum heutigen Tage aufgezeigt wird.

Bereich II:
La Realidad de América (Die Wirklichkeit Amerikas)

Der Besucher wird in die vielen unterschiedlichen Facetten der Geographie des amerikanischen Kontinents eingeführt. Dazu dient unter anderem ein riesiges Modell, das Aufbau und Umrisse des Kontinents darlegt. Audiovisuelle Medien, die einen Eindruck von Flora und Fauna Amerikas vermitteln sollen, ergänzen farbenprächtig das Bild der Neuen Welt vor den Augen des Betrachters. Anschließend werden die Spuren der menschlichen Besiedelung des Kontinents dargelegt; von den Völkerwanderungen des Paläolithiums über die europäische Eroberung bis zum Import afrikanischer Sklaven und der asiatischen Einwanderung.

Eingegangen wird in diesem Zusammenhang auf das Phänomen des mestizaje, der Rassenmischung, die speziell in Lateinamerika eine große Rolle spielt. Eine Sammlung repräsentativer Objekte, die geographisch von den Großen Seen im Norden der heutigen USA bis nach Feuerland im äußersten Süden Amerikas reicht, rundet den Themenbereich ab.

Hervorzuheben sind die Keramiken der sogenannten Huacos Retratos (Gebrauchsgegenstände mit menschlichen Gesichtern) der Mochica-Kultur aus Peru. Diese polychromen Gefäße zeigen Alltagsszenen, Kriegsszenen und erotische Darstellungen.

Bereich III:
La Sociedad (Die Gesellschaft)

Dieser Teil zeigt die strukturelle Entwicklung der verschiedenen Gesellschaftsformen auf amerikanischem Territorium. Er stellt die charakteristischen Merkmale der verschiedenen Lebensformen, Behausungen und Siedlungsweisen dar; angefangen bei den sogenannten primitiven Stämmen bis hin zu den großen und komplizierten Staatsgebilden der Inka und Azteken mit ihrer jeweiligen kulturellen Entwicklung und sozialen Struktur. Besonders spektakulär sind die „Mantos de Paracas“ (farbenprächtige Baumwolldecken), die Sammlung Oñate (mexikanische Keramik des 17. Jahrhunderts) sowie diverse Barockgemälde, die den Schulen von Cuzco und Quito angehören.

Bereich IV:
La Religión (Die Religion)

Feierlich werden hier die Ritualgegenstände gezeigt, die von Amerikanern vergangener Epochen angefertigt wurden, um in verschiedensten religiösen Kulthandlungen ihren Glauben und ihre Spiritualität zu vermitteln. Hier glänzt besonders der Schatz der Quimbaya, der im Jahre 1893 als Geschenk der kolumbianischen Regierung in die Sammlung integriert wurde. Er besteht aus Grabbeigaben aus massivem Gold, die den Adligen die Überfahrt ins jenseitige Leben sichern sollten. Außerdem kann man hier die intakte Momia de Paracas bewundern.

Die peruanische Mumie mit kompletter Grabausstattung verdeutlicht die Art der Totenbestattung in Peru. Missionsinstrumente, religiöse Statuen, Gemälde und Skulpturen des Kolonialbarock komplettieren die Sammlung.

Bereich V:
La Comunicación (Die Verständigung)

Hier kann der Besucher die Vielfalt der Sprachen bestaunen, die in Amerika seit Beginn seiner Besiedlung entstanden sind oder dorthin „exportiert“ wurden. Sprache als Transportmittel zur Information und Kommunikation: von den primitiven Bildschriften über die Steintafeln der Azteken und Maya bis zu Schriften und Zeichnungen aus der Kolonialzeit. Am Ende dieses letzten Bereiches steht eine Erklärung der sprachlichen Besonderheiten des amerikanischen Spanisch.

Bedauerlicherweise sind von den fast 20.000 Objekten, die das Museum besitzt, nur 2.500 permanent ausgestellt. Die übrigen werden in Lagerräumen für wissenschaftlichen Zwecke aufbewahrt. Nach fast dreistündiger Besichtigung bleibt das Gefühl zurück, in die Ursprünge und die Seele Amerikas eingetaucht zu sein.

Museo de América
Avenida Reyes Católicos Nr. 6
28040 Madrid