Dolce & Habana (08/2011)

Reinhard Kleist zeichnet Comics, aber nicht irgendwelche Comics, sondern sog. Graphic Novels (Comicromane in Buchformat), die aus den USA kommend nun auch in Deutschland einen Markt finden. Nachdem er bereits erfolgreiche Novels u.a. über Johnny Cash veröffentlicht hatte, reiste er im Jahr 2008 einige Wochen durch Kuba und machte sich dort Notizen und Skizzen. Mit „Havanna. Eine kubanische Reise“ ist eine Mischung aus Reisebericht und Skizzenbuch erschienen, in der er seine Impressionen aus der kubanischen Hauptstadt und deren Umgebung festhält. Klassische Comicpassagen in Schwarz-Weiß oder Farbe wechseln sich mit eindrucksvollen großformatigen Aquarellzeichnungen, z.B. vom Malecón (als Doppelseite), und flüchtigen Skizzen ab.

Reinhard Kleist
Havanna. Eine kubanische Reise.
100 Seiten
Carlsen-Verlag, Hamburg 2008

Kleist zeigt die kubanische Lebenswelt in all ihren Facetten: die Schönheit Havannas genauso wie die katastrophale Wohnsituation vieler Habaneros, dunkle Hinterhöfe oder touristische Highlights (Trinidad); er lässt Befürworter und Gegner der Revolution auftreten, meistens in Person zweier älterer Damen. Kleist ist gleichzeitig fasziniert von der Menschlichkeit und der Lebensfreude der Kubaner, andererseits erschrocken über den Polizeistaat, die Armut und den Verfall. Der Erzählstil ist kritisch oder humorvoll, je nachdem wie es passt. Der Leser erfährt, wie man sich in Kuba korrekt beim Bus anstellt oder wie die kubanische Variante der Pizza schmeckt.

Kleist ist ein genauer und distanzierter Beobachter, der in seinem Fazit der Reise Humor beweist, wenn er auf der vorletzten Seite die „Vorzüge“ der Freiheit in seiner Heimat darstellt. Und der Leser sollte genau hinsehen, sonst entgehen ihm Feinheiten wie der Spruch auf dem T-Shirt des Cocotaxi-Fahrers: „Dolce & Habana“.

Auch vor Fidel Castro macht Kleist keinen Halt. Mit ihm, der ihn großformatig von den Häuserwänden oder Plakaten anblickt, tritt Kleist in eine Art fiktiven Dialog über die Ideen der Revolution und die amerikanische Embargopolitik. Und das brachte den Autor auf die Idee, eine Castro-Biographie zu zeichnen. Mit 280 Seiten ein wahrer Comicroman, rein in Schwarz-Weiß gehalten. In ihm reist der von Reinhard Kleist erfundene Journalist Karl Mertens 1956 nach Kuba, um Castro zu interviewen und schließlich aus Begeisterung dort zu bleiben. Der fiktive Charakter lebt inmitten der Ereignisse und schildert aus seiner Sicht die politische Karriere Castros und das Leben auf Kuba in den 50er und 60er Jahren; nur die letzten dreißig Seiten widmet Kleist den aktuelleren Ereignissen um Castros Rücktritt.

Reinhard Kleist
Castro
280 Seiten
Carlsen-Verlag, Hamburg 2010

Und auch wenn er mit der Liebesgeschichte von Karl und Lara, die sich später in eine Gegnerin der Revolution verwandelt, einen fiktiven Strang in die Geschichte einbaut, bleibt dieser Band vor allem eine beeindruckende Bebilderung historischer Ereignisse, ganz im Gegensatz zu „Havanna“.

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