Der Vulkan ruft!

Morgenappell um 5 Uhr 30. Eine 20-minütige Fahrt bis zum Fuße des Pacaya, Guatemalas Stadtvulkan. Von nun an quält sich der Toyota-Bus eine weitere Dreiviertelstunde über Stock und Stein. Fünf Mal setzen wir auf, einen geplatzten Reifen gilt es zu wechseln. Schließlich am Ziel bleibt das Auto bei Jorge und seiner Familie zurück, und der Aufstieg beginnt.

Vulkan Pacaya mit leichter Erruption
Vulkan Pacaya mit leichter Erruption

Schnellen Schrittes durchqueren wir Kaffeepflanzungen, Nebelwald und Kuppeln. Allmählich werden aus den stattlichen Bäumen gedrungene Bäumchen, das schwarze Gestein setzt sich durch und nach über einer Stunden erreichen wir den Fuß des Kegels. Vom Krater trennen uns 200 Höhenmeter.
Der Aufstieg bis ganz oben sei zu riskant, warnt Hejo, ist der Vulkan z.Z. auch wenig aktiv. Trotzdem verspüre ich den unbändigen Drang einen Blick in den Schlund des schwarzen Ungetüms zu werfen, da ruft mich der Große zur Vernunft. Ein tiefes Grollen, kurze Pause, ein weiteres noch männlicheres folgt, und der Berg entledigt sich einigen Gerölls. Hammer! Drei Stunden zieht er uns in seinen Bann, rufend und speiend, dann macht er eine längere Pause, wir brechen auf gen Heimat.

Noch am selben Abend folgt ein weiteres Highlight: mein erster Besuch in dem guatemaltekischen Steakhouse namens Rodeo.
Doch es ist der Vulkan, der Pacaya, der mir präsent bleibt.

Der Vulkan Agua spiegelt sich im Frühdunst
Der Vulkan Agua spiegelt sich im Frühdunst

Drei Wochen später ist ein erneuter Aufstieg geplant. Zwei Nächte zuvor beobachte ich bei einem Freund, der in dem Vorort namens Vista Hermosa (Wunderbarer Blick) wohnt, den Vulkan – doch der bleibt still.
Diesmal erklimmen wir den Kegel. Zwei Schritte vor, einen zurück, im schwarzen Lavastein-Geröll. Schwefelschwaden ziehen vorüber. Abwechselnd werden wir in Wolken gehüllt und in Sonnenstrahlen gebadet. Links und rechts, sowie vorne und hinten, lauter Vulkangestein, alles schwarz, und in der Ferne der Blick auf Pacayas Kollegen Agua, Acatenango und Fuego, alle knapp 4000er. Der Pacaya mißt zwo neun. Von den drei großen Brüdern ist nur der Fuego aktiv. Aber es war der Agua, der durch einen bombastischen Auftritt von sich Reden machte. Die Stadt Antigua sein Opfer. Sie wurde buchstäblich von einer Schlamm- und Aschelawine überrollt, als der mit Wasser bis zum Rand gefüllte Krater brach, wahrscheinlich ausgelöst durch ein Erdbeeben. Dies geschah nur zwei Monate nach dem Tod Alvarados, dem „Eroberer“ Guatemalas, im Jahre 1541.

Das bislang leise Grollen des Pacaya wird heftiger. Wir akzeptieren die Warnung und begeben uns per Wedeltechnik auf den fünfminütigen Abstieg (Hoch dauerte es gut eine Stunde).

Zu Hause finde ich gut ein Kilo Pacayasteine in meinen Schuhen und archiviere sie in einem Glas zusammen mit meiner Pazifikmuschelsammlung.

Guatemalas Vulkane Agua, Fuego, Acatenango
Agua, Fuego, Acatenango in der Morgendämmerung

Kaum acht Tage später: chillen in vista hermosa. Gegen Mitternach steige ich mit Cuba-Libre-geschärftem Blick aufs Dach und erkenne einen breiten Lavastrom. Außerdem glaube ich, mehrere heftige Stöße auszumachen. Mit Sicherheit befindet sich über dem Kegel ein schwaches rot-orange farbenes Licht.
Kaum habe ich den Gedanken gefasst loszufahren und den Pacaya zu besteigen, bricht der Tag herein. Also stelle ich die Tour für die folgende Nacht zusammen.

Gegen vier Uhr nachmittags fahren wir los. Dieses Mal nicht direkt zum Vulkan, sondern auf einen in wenigen Kilometern entfernter Hügel in gut 2200 Metern Höhe.

 

Meine innerliche Anspannung ist nahezu unerträglich, doch es ziehen Wolken auf und es beginnt zu regnen. Wir suchen Schutz in den Zelten, lauschen dem furchteinflößenden Grollen und malen uns aus, welches Spektakel uns gerade entgeht. Enttäuscht schlafe ich ein. Gegen drei werde ich wach und schwimme; alles ist durchnäßt, und ich schwanke zwischen Fluchen und Weinen.

Erst jetzt bemerke ich, dass sich der Regen und mit ihm die Wolken verflüchtigt haben. Zeitgleich mit einem gewaltigen akustischen Signal des Berges reiße ich den Reisverschluss des Zeltes auf und sehe den gesamten Kegel hell erleuchtet. Doppelhammer!

Guatemalas Vulkane Agua, Fuego, Acatenango
Guatemalas Vulkane Agua, Fuego, Acatenango

Der Kollege speit, was das Zeug hält. Wir tanzen vor Glück. Immer wieder ist der Kegel für Sekunden erhellt – so lange bis die Glut der Steine erlischt. 100, 200 oder 300 Meter hoch werden die Steine aus dem Schlund heraus katapultiert. Ich hätte hier Wochen sitzen können, doch der Tag kommt, und es wird zum Aufbruch geblasen. Als Zugabe der Natur taucht in unseren Rücken das groovige Trio Agua, Acatenango und Fuego auf und präsentiert sich von seiner besten Seite…

Sechs weitere Male hab ich mit meinen Kegelbrüdern den Vulkan besucht. Dreimal waren wir noch oben, in der Nähe des Kraters, bis ganz rann wagten wir uns nach dem Erlebten jedoch nicht mehr.

Ein halbes Jahr nachdem ich Guate wieder den Rücken gekehrt hatte, abermals an einem Neujahrstag, erlebte die Kegel-Crew einen wahren Horror-Pacaya-Trip. Der Vulkan brach just in dem Moment aus, als die Gruppe den Fuß des Kegels erreicht hatte.
Flammen bis zu 1500 Metern hoch und noch in 30 Kilometer Entfernung regnete es Geröll vom Himmel. Möglicherweise verschonte sie der Berg, weil sie ihm immer mit Respekt begegnet waren.

Ich jedenfalls fiebere meinem nächsten Aufstieg entgegen.