Der Blinde von Sevilla (10/2012)

Drei alte Männer. Zwei finden den grausamen Tod, einer ist schon gegangen und hinterlässt Tagebücher. Zwei leben von der Kunst. Alle haben eine afrikanische Vergangenheit. Ihr ungezügeltes sexuelles Begehren mündete in Tragödien. Alle reich, verwickelt in Geldschiebereien und zum Sehen gezwungen.

Der Blinde von Sevilla

Autor: Robert Wilson
Taschenbuch: 640 Seiten
Verlag: Goldmann Verlag (1. März 2004)
ISBN-10: 3442456371 / ISBN-13: 978-3442456376

Fünf Ehefrauen. Vier sterben. Zwei im Wasser. Zwei im Bett. Eine ist verdächtig, geschäftig, verführerisch und doppelt betrogen.

Vier Liebhaber. Intelligent bis genial. Einer stirbt. Einer hätte ein Freund werden können.
Mitten drin Inspector Jefe. Als Onkel geliebt. Zur Kunst verdammt. Vom Vater geliebt geglaubt. Verlassen. Allergisch gegen Milch. Von der Madonnenerscheinung verwirrt.

Der Roman ist so spannend, dass ich das Buch nachts zur Seite legen muss. Die Geschichte seelisch, sie legt bestialische Abgründe der menschlichen Psyche offen. Die Konfrontation mit visuellen Inszenierungen bringt den makabren Tod. Und sie ist künstlerisch, sie reicht von gehemmter Malerei bis zur hohen Strategie. Kaum ausgeprägte Liebe, aber todbringender Hass. Erfrierende Kaltherzigkeit überschattet Homoerotisches. Wirtschaftlicher Erfolg und Ruhmessucht verlangen nach skrupelloser Gewalt.

Morde in Sevillas wichtigster Zeit des Jahres. Morde in der Semana Santa, der Osterwoche, inszeniert und schockierend. Inspector Jefe verliert den Überblick über Fall und Mannschaft und die Kontrolle über sich selbst. Gezwungener Maßen und wie von unsichtbarer Hand geleitet, führt ihn der Weg nach Tanger, der Wiege seiner Kindheit. Teile fügen sich zusammen, das dunkle Wirrwarr lichtet sich, doch ist der Stierkampf das große Finale? Es ist vielleicht die schönste Rolle, die einer Haushälterin in diesem Moloch zuteil werden kann. Sie tanzt Sevillana auf der Feria de April. Ihre 65 Jahre verfrischen sich zur Jugend. Sie allein hat die Kraft zur Heilung.

Robert Wilsons Stil scheint gewollt unspektakulär, so dass alle Aufmerksamkeit dem Geschehen gilt. Das ändert sich als der 500-Kilo-Stier die Arena einnimmt und der Kampf zum Leben erwacht.

Fazit: Der Blinde von Sevilla ist ein detailliert ausgefeilter Kriminalroman. Von der ersten bis zur 640sten Seite sind alle Handlungen, Gedanken, Rückblenden, Erinnerungen und Psychoanalysen ineinander verwoben. Unbedingt lesenswert.

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