Ausnahmepianist trifft Kartoffelband (12/2008)

Bruno Böhmer Camacho Trio
Herencías
Neuklang

Als Kauftipps zum Fest möchte ich zwei sehr gute CDs von in Köln beheimateten Bands vorstellen, die schon länger auf meinem Rezensionsstapel liegen.

Bruno Böhmer Camacho, Pianist kolumbianischer Herkunft, und seinem Jazz-Trio ist mit ihrem Debüt „Herencías“ ein großer Wurf gelungen. Spannungsgeladene Latin-Jazz-Titel wechseln sich mit einfühlsamen Balladen ab, einfallsreiche Jazz-Improvisationen mit träumerischen Melodien. Der Ausnahmepianist präsentiert neben Eigenkompositionen drei Stücke seines Großvaters, des bekannten Komponisten Angel Maria Camacho y Cano. Die beiden Vokaltitel werden dabei wunderbar von der vielbeschäftigten venezolanischen Sängerin Yma América Martínez interpretiert.

Duke Ellingtons „Caravan“ scheint eine besondere Anziehungskraft auf Latin-Jazz-Musiker auszuüben, denn auch das Camacho-Trio interpretiert dieses Stück im perfekten Zusammenspiel. Bruno Böhmer Camacho, der im Alter von gerade mal neun Jahren die Band „Latin Sampling“ leitete, die international für Aufsehen sorgte, hat mit seinen gerade mal 22 Jahren bereits eine beträchtliche Anzahl Preise eingeheimst. Ihm, seinen Begleitern Juan Camillo Villa und Rodriga Villalón, und ihrem virtuosen Spiel stehen nach „Herencías“ (hoffentlich) alle musikalischen Türen offen.

La Papa Verde
Ich verstehen nicht kann
galileo mc

Party und Politik vereinen „La Papa Verde“ auch auf ihrem zweiten Album „Ich verstehen nicht kann“. Die Mestizomusik der internationalen „Kartoffelband“ – die Mitglieder stammen u.a. aus Chile, Deutschland und Mexiko – verbindet südamerikanische Folklorestile (cueca, cumbia etc.) mit Rockgitarren, Rap-Gesang und Reggae-Beats sowie globalisierungs- und gesellschaftskritischen Texten. Wunderbar gelingt dies im Titelstück, in dem Sänger Fernando zwischen Deutsch und Spanisch hin und her wechselt und darüber singt, wie schwer es für Ausländer ist, Deutsch zu lernen: „singen está verboten… la de Ausländeramt hab‘ ich nie gemocht“. Die Texte sind kritisch und giftig wie eine grüne Kartoffel, sagen sie. Und die Knolle ist (und das wissen die wenigsten) auch das stärkste Bindeglied zwischen Deutschland und Lateinamerika. Denn das als „urdeutsch“ geltende Gewächs stammt aus den Anden.

Bei „La Papa Verde“ fühlt man sich oft wie auf einem lateinamerikanischen Volksfest mit rheinischem Einschlag, eine sehr gelungene Kombination, gut hörbar in „Endlose Straße“, einem reggaelastigen Song zu einem Text der antifaschistischen Kölner Jugendgruppe „Edelweißpiraten“. Ein Album zum Schunkeln, Feiern und Nachdenken!

Fotos: amazon