1. Argentinien hören / 2. Kleine Geschichte Argentiniens (10/2010)

Argentinien hören
Silberfuchs-Verlag 2010
ca. 80 Min.
Passend zum Frankfurter Buchmessengastland 2010 hat der Silberfuchs-Verlag in seiner mehrfach ausgezeichneten Hörbuch-Reihe „Länder hören“ eine CD zu Argentinien herausgebracht. „Unsere Vernunft, unsere Intelligenz beweisen uns unaufhörlich, dass diese Welt grausam ist, […] aber glücklicherweise ist der Mensch fast nie ein vernünftiges Wesen, und deshalb erwacht auch inmitten der Unglücksfälle und Katastrophen die Hoffnung immer wieder.“ Dieses Zitat des Schriftstellers Ernesto Sábato beschreibt treffend die Mentalität der Argentinier, sowie ihre Überlebensstrategie in der kurzen, aber selten friedvollen Geschichte ihres Landes.

Argentinien hören
Eine musikalisch illustrierte Reise durch die Kulturgeschichte Argentiniens
Antje Hinz (Autorin)
Josef Tratnik (Sprecher)
Verlag: Silberfuchs; 1., Aufl. (12. April 2010)
ISBN-10: 3940665193

Chronologisch aufgebaut beginnt die Reise durch das zweitgrößte Land Lateinamerikas mit einem Schöpfungsmythos der Ureinwohner Feuerlands, die später von den Spaniern ausgerottet wurden. Die ersten drei von insgesamt 20 Kapiteln der CD widmen sich dieser indigenen Bevölkerung Argentiniens, aber auch den indigenen Bewohnern der Anden, die im 19. Jahrhundert bei verschiedenen Feldzügen des argentinischen Militärs ebenfalls fast gänzlich vernichtet wurden und deren Existenz oft vergessen wird.

Der Eroberung durch die Spanier, den Jesuitenreduktionen, dem Unabhängigkeitskampf und den politischen Wirren in der jungen Republik sind weitere Kapitel gewidmet, deren faktenreicher Text mit literarischen Passagen und Musik von argentinischen Komponisten wie Alberto Ginastera oder Carlos López Buchardo aufgelockert wird. Auch in den Kapiteln über das moderne Argentinien und natürlich erst Recht dort, wo es um Literatur (Borges/Cortázar) oder um Musik (Tango) geht, hat die Autorin Antje Hinz passende Texte und Musiktitel ausgewählt, u.a. aus den Werken „Martin Fierro“ oder „Rayuela“ sowie von den Musikern Atahualpa Yupanqui, Carlos Gardel und Mercedes Sosa.

Hier liegt vielleicht auch der einzige Kritikpunkt an diesem außergewöhnlich ausführlichen und interessanten Hörbuch: die Auswahl präsentiert wenig Überraschendes, modernere Literatur- und Musikströmungen bleiben außen vor.

Das Booklet enthält eine Chronologie der Geschichte des Landes sowie einige Abbildungen von im Text erwähnten Bau- oder Kunstwerken. Mit wie viel Enthusiasmus diese Hörbücher kreiert werden, enthüllt das Detail der auf die CD gedruckten Abbildung der ersten argentinischen Münze. Kurzum: wer vor einer Reise Argentinien kennen lernen und sich nicht durch Berge von Sachbüchern arbeiten möchte, der liegt mit diesem Hörbuch, dessen Texte wunderbar vom Schauspieler Josef Tarnik gesprochen werden, genau richtig.

Cover: amazon

Hörproben findet ihr auf der seite des Verlages: Silberfuchs Verlag

Michael Riekenberg
Kleine Geschichte Argentiniens
C.H.Beck 2009
Argentinien ist Gastland der Frankfurter Buchmesse 2010 und – wie nicht anders zu erwarten – steigen prompt die Publikationen zum Land und die Übersetzungen dortiger Autoren ins Deutsche sprunghaft an. Die „Kleine Geschichte Argentiniens“ aus der „Beckschen Reihe“ ist schon Ende 2009 erschienen und bildet somit den Auftakt des Veröffentlichung-Reigens.


Michael Riekenberg
Kleine Geschichte Argentiniens
206 Seiten incl. 2 Karten
Paperback
C.H.Beck 2009
ISBN-10: 3406585167

Der Autor Michael Riekenberg, Historiker an der Universität Leipzig, stellte sich der Aufgabe, die Geschichte des Landes auf knapp 200 Seiten darzustellen. Die frontier, also der Raum zwischen einem schon staatlich / kolonial annektierten Gebiet und den Siedlungsräumen indigener Völker, zieht sich als Leitmotiv durch einen großen Teil des Buches: „Weil die frontier eine ‚stumme Welt’ war, die in den Archiven nur wenig eigene schriftliche Quellen hinterlassen hat, ist sie in der Geschichtsschreibung lange Zeit kaum behandelt worden“, schreibt Riekenberg und unternimmt den Versuch, dieses Defizit teilweise wieder gut zu machen. Anhand des frontier-Konzepts läßt sich u.a. gut die Entstehung einer „Kultur der Gewalt“ erklären, die in Argentinien (und auch bei seinen Nachbarn) das gesellschaftliche Leben bis heute prägt. Denn in unentdeckte Gebiete vorzudringen war über Jahrhunderte mit Gewaltanwendung verbunden.

Riekenberg legt den Schwerpunkt seines Buches auf die Geschichte des Landes seit 1810, während Früh- und Kolonialzeit schnell durchlaufen werden. Leider werden auch die Zeit der Militärdiktatur und die Gegenwart (1976-2009) auf nur wenigen Seiten abgehandelt, so dass der nicht vorgebildete Leser dort Informationsdefizite erfährt, wo es für ihn als Zeitgenossen am interessantesten wird, vor allem, wenn er sich mit aktueller argentinischer Literatur befasst. Aber „Kleine Geschichten“ leiden immer darunter, dass vieles verkürzt dargestellt bzw. weggelassen werden muss, wie z.B. auch alle wichtigen Ausprägungen der landeseigenen Kultur. Natürlich finden sich Hinweise auf den Tango oder auf die Literatur, die die Nationalgeschichte erschuf, aber „Kleine Geschichten“, so auch diese, sind im wesentlichen „politische Geschichten“ mit vielen Daten und Namen. Diese versteht Riekenberg jedoch zumeist lesefreundlich zu präsentieren, so dass nicht der Eindruck entsteht, es handele sich um vertextliche Zeittafeln. Sein Text bleibt dabei weitestgehend deskriptiv und verzichtet auf Analysen der jeweiligen Ereignisse.

Für die vermeintliche Zielgruppe – am Land interessierte Laien – stellt die „Kleine Geschichte“ einen guten Überblick dar, mit weiterführender Literatur im Anhang. Aber gerade für diese Leser wäre es schön, zwischen den vielen Fakten die ein oder andere Anekdote lesen und auch weiter über den Tellerrand der Politik schauen zu können, wie es im Abschnitt „Metropolenbildung“ ansatzweise geschieht.

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